Infinitiv




Infinitiv (lateinisch [modus] infinitivus zu lat. infinitum, wörtl. „das Unbegrenzte“, gemeint: „das Unbestimmte“) ist der Name für eine Verb­form, in der Numerus und (normalerweise) Person nicht ausgedrückt werden. Infinitivformen gibt es gleichwohl in verschiedenen Tempora („gesehen haben“) und unterschiedlicher Diathese („gesehen worden sein“). Zusammen mit den Partizipien und dem Inflektiv gehört der Infinitiv zu den infiniten Verbformen.


Im Deutschen und in vielen anderen Sprachen wird der Infinitiv als Zitierform eines Verbs verwendet; dies ist jedoch nicht in allen Sprachen so. Eine Reihe von Sprachen haben beispielsweise gar keinen Infinitiv, andere Sprachen verfügen zwar über einen Infinitiv, dieser wird aber nicht als Zitierform gebraucht. Im Arabischen werden zur Ableitung der übrigen Verbformen die 3. Person Singular maskulin des Perfekts und des Imperfekts als Grundform benutzt. Beispiel: kataba – yaktubu („er schrieb – er schreibt“).




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Der Infinitiv im Deutschen


    • 1.1 Formen


    • 1.2 Nebensatzwertige Infinitivphrasen


    • 1.3 Hauptsatzwertige Infinitivphrasen


    • 1.4 Rechtschreibung




  • 2 Der Infinitiv in anderen Sprachen


    • 2.1 In indogermanischen Sprachen


    • 2.2 In finnougrische Sprachen


    • 2.3 In Turksprachen


    • 2.4 In Plansprachen




  • 3 Siehe auch


  • 4 Weblinks


  • 5 Einzelnachweise





Der Infinitiv im Deutschen |


Infinitive erscheinen im Deutschen:



  • in Verbindung mit infinitivregierenden Verben (Beispiel: Sie muss bleiben. Er scheint zu schlafen.)[1]

  • in nebensatzwertigen Infinitivphrasen (Beispiel: Lange Texte zu lesen, fällt ihm schwer.)[2]

  • in hauptsatzwertigen Infinitivphrasen (Beispiel: Nicht aus dem Fenster lehnen!)[3]



Formen |


Der Infinitiv ist im Deutschen an der Endung -en zu erkennen (seltener: -eln, -ern von Verben, die ursprünglich auf -elen oder -eren endeten; Ausnahme: Endung auf -n bei tun von ursprünglich tuen und sein):


  • Der Zeuge will aussagen (Infinitiv Präsens Aktiv).

Man kann den Infinitiv auch in der Zeitform des Perfekt bilden:


  • Der Zeuge will die Tat beobachtet haben (Infinitiv Perfekt Aktiv).

Für beide Zeitformen kann man auch einen Infinitiv im Passiv bilden:



  • Der Täter möchte bei der Tat nicht entdeckt werden (Infinitiv Präsens Passiv).

  • Der Zeuge könnte zur Aussage genötigt worden sein (Infinitiv Perfekt Passiv).



Nebensatzwertige Infinitivphrasen |


Infinitive können auch mit zu gebildet werden. Wenn außer dem Infinitiv und zu noch ein weiteres Wort zur Infinitivgruppe gehört, spricht man traditionell von einem „erweiterten Infinitiv“. Ein Infinitiv mit zu, der nachgestellt auftritt, hat immer den Status eines eigenen Nebensatzes (was für andere Konstruktionstypen mit Infinitiven nicht unbedingt gilt; näheres siehe unter Kohärente Konstruktion).



  • Der Zeuge wünscht auszusagen (Präsens Aktiv).

  • Er kommt, um auszusagen (Präsens Aktiv).

  • Der Zeuge behauptet, die Tat beobachtet zu haben (Perfekt Aktiv).

  • Der Täter hofft, bei der Tat nicht entdeckt zu werden (Präsens Passiv).

  • Der Zeuge bestätigt, zur Aussage genötigt worden zu sein (Perfekt Passiv).



Hauptsatzwertige Infinitivphrasen |


Der „freie Infinitiv“ steht unabhängig von einem anderen Verb, vor allem bei Aufschriften und Anweisungen:


  • Packungsbeilage beachten!


Rechtschreibung |


Infinitive werden ‒ wie alle Verben ‒ im Normalfall kleingeschrieben. Sie können jedoch auch substantivisch gebraucht werden und müssen dann großgeschrieben werden. Beispiele: „das Aussterben der Dinosaurier, zum Lachen sein, meines Erachtens, ohne Ansehen, viel Redens machen.“ Wenn die Substantivierung nicht eindeutig ist – eindeutig wird sie z. B. durch einen vorangestellten Artikel –, erlaubt der Duden sowohl Klein- als auch Großschreibung; seit der 25. Auflage empfiehlt er jedoch Großschreibung (Beispiel: „Irren ist menschlich“). Bei Infinitiven mit Reflexivpronomen (Beispiel: „sich regen bringt Segen“) liegt keine Substantivierung vor, sodass Kleinschreibung notwendig ist; bei der Substantivierung solcher Verben entfällt das Reflexivpronomen nämlich (sich regendas Regen).


Übersichtliche zweiteilige Infinitivkomposita werden zusammengeschrieben (Beispiele: das Autofahren, das Anderssein).[4]Durchkopplung, d. h. Getrenntschreibung mit Bindestrichen, wird erst bei unübersichtlichen Komposita (das Püree-Essen) sowie bei Komposita mit mehr als zwei Bestandteilen erforderlich (das In-den-Tag-hinein-Leben).[5]



Der Infinitiv in anderen Sprachen |


Die meisten Infinitivformen sind unpersönlich. Eine Ausnahme bildet die portugiesische Sprache, die einen „persönlichen Infinitiv“ kennt (infinitivo pessoal).



In indogermanischen Sprachen |


Der Infinitiv kommt in vielen indogermanischen Sprachen vor, hat aber in den verschiedenen Sprachgruppen unterschiedliche Endungen.


  • Lateinisch

Präsens/Aktiv: clamare (rufen/schreien), vidēre (sehen), audire (hören), agĕre (handeln), venire (kommen)

Präsens/Passiv: clamari, videri, audiri, agi

Perfekt/Aktiv: clamavisse, vidisse, adivisse, egisse

Perfekt/Passiv: clamatum esse, visum esse, auditum esse, actum esse (mit Partizip Perfekt Passiv, deklinierbar)

Futur/Aktiv: clamaturum esse, visurum esse, auditurum esse, acturum esse

Futur/Passiv: clamatum iri, visum iri, auditum iri, actum iri (mit Supinum, nicht deklinierbar)


  • Spanisch: -ar, -er, -ir

cantar (singen), beber (trinken), vivir (leben)


  • Portugiesisch: -ar, -er, -ir



falar (sprechen), vender (verkaufen), partir (weggehen)

Ausnahme: pôr (setzen, stellen, legen)



  • Französisch: -er, -dre, -oir, -ir, -re



donner (geben), prendre (nehmen), savoir (wissen), finir (beenden), vivre (leben)

Ausnahme: boire (trinken)



  • Englisch: mit Infinitivmarker „to“ (fehlt beim bare infinitive)


to go (gehen), to sleep (schlafen), to sing (singen)



  • Italienisch: -are, -ere, -ire


cantare (singen), vedere (sehen), partire (abfahren)


  • Hindi: endet immer auf -ना /naˑ/

होना /ɦoːnaˑ/ (sein, werden), बेचना /beːt͡ɕ(ə)naˑ/ (verkaufen), ख़रीदना /xəriːd̪(ə)naˑ/ (kaufen)


  • Rumänisch: mit Infinitivmarker „a“


a auzi (hören), a face (machen/tun), a vrea (wollen)


  • Russisch: endet immer auf -ть, -ти oder -чь

жить (leben), писать (schreiben), любить (lieben), идти (gehen), нести (tragen), печь (backen), мочь (können)


  • Lettisch: endet auf -t oder -ties



būt (sein), nākt (kommen), mācīties (lernen)[6]

Hierbei ist die Endung -ties bei reflexiven Verben zu finden.



  • Armenisch: endet auf -ալ oder -ել: կարդալ (lesen), գրել (schreiben)


  • Sanskrit: endet auf -tum[7]



dātum (geben), bhávitum (sein)

Diese Endung ist der Akkusativ von -tu und entspricht dem Supinum im Latein und in Baltischen sowie Slawischen Sprachen.

Im älteren Vedischen kamen noch weitere Endungen vor, wobei deren Häufigkeit variieren konnte:

-e (z. B. dṙśé "sehen"),

-ase (Dativ von -as, z. B. áyase "gehen"),

-mane (Dativ von -man, z. B. dāmane "geben"),

-vane (Dativ von -van, z. B. dāváne "geben")

-taye (Dativ von -ti, z. B. sātáye "gewinnen")

-tave (Dativ von -tu, z. B. étave "gehen")

-sani (Lokativ von -san, z. B. neṣáṇi "führen")

Hierbei waren die Endungen mit Dativ am häufigsten.



In finnougrische Sprachen |



  • Finnisch: Jedes Verb bildet fünf Infinitive, die jeweils nur in bestimmten Kontexten verwendet werden können und nur in bestimmten Kasusformen oder Konstruktionen (teilweise in Verbindung mit den Possessivsuffixen zur Kennzeichnung der handelnden Person) auftreten.


  1. Infinitiv I oder A-Infinitiv: laulaa (singen), laulaakseni [-si, -nsa …]

  2. Infinitiv II oder E-Infinitiv: laulaessa, laulettaessa, laulaen

  3. Infinitiv III oder MA-Infinitiv: laulamassa, laulamasta, laulamaan, laulamalla, laulamatta, laulaman, laulettaman

  4. Infinitiv IV oder MINEN-Infinitiv: laulaminen, laulamista

  5. Infinitiv V oder MAISILLA-Infinitiv: laulamaisillani [-si, -nsa …]



  • Estnisch: Jedes Verb bildet zwei Infinitive, und zwar auf -da (selten -ta oder -a) oder -ma, wobei sich beide in der Anwendung im Satz unterscheiden.[8]


lugema - lugeda (lesen), ostma - osta (kaufen)


  • Ungarisch: immer auf -ni


menni (gehen), futni (rennen)


In Turksprachen |



  • Türkisch: endet immer auf -mak oder -mek


gülmek (lachen), gelmek (kommen), bakmak (gucken), oynamak (spielen)


In Plansprachen |



  • Esperanto: endet immer auf -i


iri (gehen), labori (arbeiten), vidi (sehen), kompreni (verstehen)


  • Volapük: endet immer auf -ön


stopön (anhalten), klotön (ankleiden), dolön (schmerzen)[9]


Siehe auch |



  • Kommaregeln#Erweiterter Infinitiv

  • Konjugation (Grammatik)



Weblinks |



 Wiktionary: Infinitiv – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


  • Deutsche Verbtabellen Verbtabellen der gebräuchlichsten deutschen Wörter


Einzelnachweise |




  1. Duden. Die Grammatik. 8. Auflage. Dudenverlag, Mannheim, Wien, Zürich 2009, ISBN 978-3-411-04048-3, S. 847 ff. ; eine Liste infinitivregierender Verben findet man im Wiktionary


  2. Duden. Die Grammatik. 8. Auflage. Dudenverlag, Mannheim, Wien, Zürich 2009, ISBN 978-3-411-04048-3, S. 850 ff. 


  3. Duden. Die Grammatik. 8. Auflage. Dudenverlag, Mannheim, Wien, Zürich 2009, ISBN 978-3-411-04048-3, S. 852 ff. 


  4. Deutsche Rechtschreibung: Regeln und Wörterverzeichnis (Memento des Originals vom 11. Juli 2012 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ids-mannheim.de (PDF; 847 kB), § 43


  5. Deutsche Rechtschreibung: Regeln und Wörterverzeichnis (Memento des Originals vom 11. Juli 2012 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ids-mannheim.de (PDF; 847 kB), § 44


  6. Berthold Forssmann: Wörterbuch Lettisch-Deutsch. Seiten 39, 132 und 144.


  7. T. Burrow: The sanskrit language. Seite 364.


  8. Nach Kauderwelsch Band 55, Estnisch Wort für Wort. 6. Auflage. 2014, Seite 32.


  9. Nach Volapük - Die Weltsprache, von J. M. Schleyer, Seiten 50 und 75.


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