Hans Matthöfer
Hans Hermann Matthöfer (* 25. September 1925 in Bochum; † 14. November 2009 in Berlin) war ein deutscher Politiker (SPD). Er war von 1974 bis 1978 Bundesminister für Forschung und Technologie, von 1978 bis 1982 Bundesminister der Finanzen und 1982 Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Inhaltsverzeichnis
1 Leben
2 Politische Tätigkeiten
3 Sonstiges
4 Auszeichnungen
5 Veröffentlichungen
6 Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik
7 Literatur
8 Weblinks
9 Einzelnachweise
Leben |
Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte Matthöfer zunächst eine kaufmännische Lehre und nahm dann von 1943 bis 1945 als Soldat am Zweiten Weltkrieg teil. Nach dem Krieg bestand er 1946 die Dolmetscher-Prüfung für Englisch. 1948 begann er nach einer Zulassungsprüfung ein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Frankfurt am Main und Madison (Wisconsin), USA, welches er 1953 als Diplom-Volkswirt beendete. Während seines Studiums in den USA war er durch seinen Lehrer Jack Barbash mit den Ideen und der Praxis der betriebsnahen Gewerkschaftsarbeit (workplace unionism) vertraut gemacht worden, die er bei seiner späteren Tätigkeit bei der IG Metall zu nutzen verstand. Er war bis 1957 in der Abteilung Wirtschaft beim Vorstand der IG Metall tätig. Danach arbeitete er als Gewerkschaftsattaché bis 1961 für die Organization for European Economic Cooperation (OEEC) in Washington, D.C. und Paris. Ab Oktober 1960 bis August 1972 leitete er die Bildungsabteilung beim Vorstand der IG Metall. Dort war er an der Entwicklung und Erprobung der betriebsnahen Bildungsarbeit und betriebsnahen Tarifpolitik beteiligt. In der ersten Hälfte der 1960er Jahre leitete er die „Ford-Aktion“, eine in Kooperation mit Frankfurter Industriesoziologen durchgeführte Schwerpunktaktion zur Verbesserung der gewerkschaftlichen Präsenz in dem damals nicht tarifgebundenen und weitgehend gewerkschaftsfreien Autokonzern. Von 1987 bis 1997 war er Vorsitzender des Vorstandes der gewerkschaftlichen Vermögensholding BGAG und in dieser Funktion von 1986 bis 1997 auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der ING-DiBa, die als Bank für Sparanlagen und Vermögensbildung AG (BSV) bzw. ab 1994 als Allgemeine Deutsche Direktbank im Besitz der Gewerkschaftsholding war.
Hans Matthöfer starb am 14. November 2009 im Alter von 84 Jahren nach schwerer Krankheit. Er war mit Traute Matthöfer geb. Mecklenburg (1923–2008) verheiratet. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen.
Politische Tätigkeiten |
Seit 1950 war Matthöfer Mitglied der SPD. Von 1973 bis 1984 gehörte er dem SPD-Parteivorstand an. Von 1985 bis 1987 war er Bundesschatzmeister der SPD. Von 1961 bis 1987 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Nach der Bundestagswahl 1972 wurde er als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit in die von Bundeskanzler Willy Brandt geführte Bundesregierung berufen. Nach dem Rücktritt von Willy Brandt übernahm er in der von Helmut Schmidt geleiteten Bundesregierung am 16. Mai 1974 die Leitung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie. Bei der Kabinettsumbildung im Frühjahr 1978 wurde Matthöfer dann am 16. Februar 1978 zum Bundesminister der Finanzen ernannt. Aus gesundheitlichen Gründen verzichtete er bei der Kabinettsumbildung im Frühjahr 1982 auf dieses Amt und wurde stattdessen am 28. April 1982 zum Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen ernannt. Mit der Wahl von Helmut Kohl zum Bundeskanzler schied Matthöfer am 1. Oktober 1982 aus der Bundesregierung aus.
Sonstiges |
Als Bürger, Gewerkschafter und Politiker engagierte sich Matthöfer seit 1953 für die Sozialdemokratie in Spanien. 1970 gründete er in Frankfurt am Main die Monatszeitschrift Exprès Espanol, die sich mit einer Auflage von 180.000 Exemplaren an die in der Bundesrepublik lebenden Spanier wandte. Nach der Einführung der Pressefreiheit in Spanien stellte das von Matthöfer und seiner Frau Traute finanzierte Blatt sein Erscheinen ein.
Sowohl als Parlamentarischer Staatssekretär im BMZ als auch als Forschungs- und Finanzminister machte Matthöfer sich ferner um gute Beziehungen zum demokratischen Lateinamerika verdient. Viel Wirbel verursachte der Forschungsminister, als er 1975 die chilenische Militärjunta als „Mörderbande“ bezeichnete, weshalb die CDU/CSU seine Entlassung forderte.
Nach den Unruhen anlässlich der Besetzung des AKW-Bauplatzes bei Wyhl im Breisgau ab dem 18. Februar 1975 machte er am 6. März das Angebot eines „vertrauensvollen Dialogs mit dem mündigen Bürger“ und willigte konkret als Reaktion auf den unbefristeten Hungerstreik des Tübinger Pädagogen Hartmut Gründler im Juli 1975 in den sogenannten Bürgerdialog Kernenergie mit etwa zehn öffentlichen seminaristischen Diskussionen ein, in der Erwartung, so die Bedenken gegen die Atomenergienutzung zerstreuen zu können. Der Auftakt war ein über drei Stunden langes Gespräch zwischen ihm und 21 Sprechern von Bürgerinitiativen am 22. Juli 1975 in Bonn. Im Juni 1976 erwies sich der Bürgerdialog aus der Sicht der ohnehin skeptischen AKW-Gegner als gescheitert, als er Hartmut Gründler gegenüber brieflich die Unverbindlichkeit des Bürgerdialogs einräumte.
Neben der energiepolitischen Diskussion, zu der Matthöfer mit dem Diskussionsleitfaden Kernenergie beitrug, trug das Modellprojekt Forschung zur Humanisierung des Arbeitslebens, für das er einen Projektträger unter Willi Pöhler installierte, seine Handschrift. Als Finanzminister rückte Matthöfer stärker von linken Positionen ab. In seiner Amtszeit ab 1978 versuchte er, die Staatsschulden zurückzufahren, ohne das Wirtschaftswachstum dabei zu gefährden. Dabei legte er sich mit der eigenen Fraktion an und warnte davor, die wachsende Arbeitslosigkeit über höhere Staatsausgaben zu bekämpfen. Mit dem Vorschlag einer Erhöhung der Mineralölsteuer scheiterte er am Widerstand der SPD.
Den in der Flick-Affäre entstandenen Verdacht der Vorteilsannahme konnte Matthöfer vollständig entkräften.
Am 19. Februar 1982 erregte er in der Fernsehsendung 3 nach 9 Aufsehen, in der unter anderem mit Fritz Teufel über gutes Benehmen diskutiert wurde. Im Gespräch mit dem Moderator zog Teufel eine Wasserpistole und bespritzte den Minister mit blauer Tinte. Matthöfer reagierte, indem er ihm ein Glas Rotwein auf das Hemd goss. Nachdem er erkannt hatte, dass es sich um Zaubertinte gehandelt hatte, deren Flecken wieder verschwanden, entschuldigte er sich für diese Revanche.
1986 übernahm Matthöfer auf Wunsch des DGB den Vorstandsvorsitz der vom Skandal um die Neue Heimat geschüttelten Gewerkschaftsholding BGAG, die er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1997 erfolgreich führte. Danach bewältigte er die von den Gewerkschaften gewünschten Strukturreformen durch Veräußerung entbehrlicher Konzernteile ebenso wie den sogenannten Coop-Skandal, den er von seinen Vorgängern übernommen hatte. Nachhaltige Erfolge erzielte Matthöfer mit der Durchsetzung der Restitutionsansprüche der Gewerkschaften auf das gewerkschaftliche Wohnungsvermögen der Weimarer Zeit, das in der DDR nochmals enteignet worden war.
2002 wurde Hans Matthöfer mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille, der höchsten Auszeichnung des Landes Hessen geehrt.
Im Frühjahr 2011 wurde durch eine WDR-Dokumentation bekannt, dass Matthöfer und das Bundesfinanzministerium jahrelang den Tankstellenbetreiber Erhard Goldbach gedeckt und vor Verfolgung durch die Finanzbehörden geschützt haben sollen; Goldbach hatte insgesamt etwa 345 Millionen DM Steuern hinterzogen.[1]
Auszeichnungen |
- 1978: Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland[2]
- 1982: Großkreuz des Bundesverdienstkreuzes
- 1984: Großkreuz Orden del Mérito Civil (Spanien)
- 1985: Gran Maestre de la Orden del Mayo al Mérito (Argentinien)
- 1992: Großkreuz des Ordens Bernardo O’Higgins (Chile)
- 2002: Wilhelm-Leuschner-Medaille des Bundeslandes Hessen
Veröffentlichungen |
Streiks und streikähnliche Formen des Kampfes der Arbeitnehmer im Kapitalismus, in: Dieter Schneider (Hrsg.), Zur Theorie und Praxis des Streiks, Frankfurt/Main 1971, S. 155–209.
Humanisierung der Arbeit und Produktivität in der Industriegesellschaft. Europäische Verlagsanstalt, Köln 1977.
Aus dem Kohlenpott in den Bundestag: meine Jahre von 1925 bis 1961. Kronberg im Taunus 2006.
Agenda 2000 – Vorschläge zur Wirtschaft- und Gesellschaftspolitik, Bonn 1983.
Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik |
Die Friedrich-Ebert-Stiftung vergibt seit 2015 einen Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik.
Preisträger:
- 2015: Mark Blyth
- 2016: Mariana Mazzucato
- 2017: Oliver Nachtwey
- 2018: Branko Milanović
Literatur |
Werner Abelshauser: Nach dem Wirtschaftswunder. Der Gewerkschafter, Politiker und Unternehmer Hans Matthöfer. J.H.W.Dietz Nachf., Bonn 2009, ISBN 978-3-8012-4171-1.- Helmut Schmidt; Walter Hesselbach (Hrsg.): Kämpfer ohne Pathos: Festschrift für Hans Matthöfer. Bonn 1985.
- Klaus Peter Wittemann: Ford-Aktion. Zum Verhältnis von Industriesoziologie und IG Metall in den sechziger Jahren. Schüren, Marburg 1994.
- Christoph Weber (Red.): „Es geschah in NRW - Der große Benzinbetrug“, Reportage im WDR, 15. April 2011 20:15; 45 Minuten.
Weblinks |
Commons: Hans Matthöfer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Literatur von und über Hans Matthöfer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Majid Sattar: Krisenmanager ohne Pathos. Zum Tode von Hans Matthöfer. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15./16. November 2009.- Wilfried Herz: Der Sparer – Wie der Finanzminister Hans Matthöfer vor 30 Jahren beim Schuldenabbau scheiterte. Ein Lehrstück für seine Nachfolger. In: Die Zeit vom 26. Oktober 2009.
Einzelnachweise |
↑ Christoph Weber (Red.): Es geschah in NRW - Der große Benzinbetrug, ab Minute 40.
↑ Bekanntgabe von Verleihungen des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. In: Bundesanzeiger. Jg. 30, Nr. 172, 13. September 1978.
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Personendaten | |
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NAME | Matthöfer, Hans |
ALTERNATIVNAMEN | Matthöfer, Hans Hermann (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (SPD), MdB |
GEBURTSDATUM | 25. September 1925 |
GEBURTSORT | Bochum |
STERBEDATUM | 14. November 2009 |
STERBEORT | Berlin |