Ehrenbürger
Ehrenbürger ist üblicherweise die höchste von einer Stadt oder einer Gemeinde vergebene Auszeichnung für eine Persönlichkeit, die sich in herausragender Weise um das Wohl der Bürger oder Ansehen des Ortes verdient gemacht hat. Die Ernennung oder Aberkennung der Ehrenbürgerschaft in Deutschland ist üblicherweise in der Hauptsatzung geregelt, meist ist eine Zweidrittelmehrheit des Gemeinderats erforderlich. Darüber hinaus verleihen Universitäten eine Ehrenbürgerwürde.
Inhaltsverzeichnis
1 Bedeutung
2 Varianten der Verleihung
3 Aberkennung von Ehrenbürgerschaften
4 Ehrenbürgerschaft postum
5 Sonstiges
6 Literatur
7 Weblinks
8 Einzelnachweise
Bedeutung |
Die Ehrenbürgerschaft wird üblicherweise auf Lebenszeit verliehen. Mitunter ist die Ehrenbürgerschaft mit besonderen Privilegien verbunden, zum Beispiel die Gewährung von Vorzugsbehandlung (Freifahrt, freie Theaterkarten etc.) in stadteigenen Einrichtungen. Nicht ganz unüblich geworden ist es auch, prominente Leute auf diese Weise vorzuzeigen, die es als Sohn oder Tochter dieses Ortes zu besonderer überregionaler Bekanntheit gebracht haben. Die Ehrenbürgerurkunde wird üblicherweise persönlich überreicht, sodass die Annahme auch eine Ehrerweisung des Geehrten an die Stadt darstellt.
Das Ehrenbürgerrecht geht ursprünglich auf die Französische Revolution und ihren Titel „bourgeois honoraire“ zurück. Die ersten deutschen Städte, die einen ähnlichen Ehrentitel verliehen, waren 1790 Saarbrücken und Hannover sowie 1795 Frankfurt am Main und Bremen.
Varianten der Verleihung |
Im Hinblick auf die mediale Wirkung geringer gewichteter Auszeichnungen sind Ehrungen mit Medaillen, Ehrenringen oder Ehrennadeln sowie der Titel eines Stadtältesten, die für langjähriges verlässliches Engagement in Stadtparlamenten oder anderen wichtigen Ehrenämtern verliehen werden.
Die Stadt Gotha schuf 1995 für Josef Ritter von Gadolla, den im Frühjahr 1945 wegen der versuchten Übergabe der Stadt hingerichteten letzten „Kampfkommandanten“ Gothas, den Titel „Verdienter Bürger der Stadt“. Darüber hinaus wurden bislang (Stand 2015) weitere 31 Persönlichkeiten, die sich um die Entwicklung und den guten Ruf der Stadt verdient gemacht hatten, jedoch bereits verstorben waren, zu „Verdienten Bürgern“ ernannt.[1]
Die Stadt Delmenhorst erfand 2003 für die Popsängerin Sarah Connor den symbolischen Titel „Ehrenbotschafterin“, da eine Ehrenbürgerschaft mangels langjährigen ehrenamtlichen Engagements nicht in Frage kam.
Die Ehrung Verstorbener kann auf kommunaler Ebene durch ein Ehrengrab erfolgen, auf höherer Ebene durch einen Staatsakt. Mitunter wird auch im Rathaus oder an einer anderen prominenten Stelle eine Gedenktafel angebracht, auf der die Namen aller Ehrenbürger verzeichnet sind; häufig werden (allerdings in der Regel erst nach dem Tod) auch Straßen und Plätze nach Ehrenbürgern benannt. Allerdings ist hierbei meist nicht die Ehrenbürgerwürde alleine als solche der Grund, sondern die Umstände, die zu ihrer Verleihung geführt haben, begründen auch die Benennung.
In den USA verleihen auch Bundesstaaten Ehrenbürgerschaften. Diese Ehrenbürgerschaft kann auch dadurch zustande kommen, dass man einen gewissen Betrag spendet. In Texas genügt u. U. eine Spende von 500 US-$ zur Erlangung der Ehrenbürgerwürde.
Universitäten können satzungs- und herkommensgemäß Ehrensenatoren oder Ehrenbürger der Universität ernennen, so war z. B. Karl Kardinal Lehmann Ehrenbürger der Mainzer Universität. Das beruht auf ihrer eigenen Tradition, wonach die Universitäten seit dem Mittelalter eine von der Stadt, in der sie sich befanden, unabhängige Jurisdiktion bildeten.
In seltenen Fällen wird auch von Staaten eine Ehrenbürgerwürde verliehen. So wurde Theodor Wolf 1921 zum Ehrenbürger Ecuadors ernannt. Sir Winston Churchill wurde auf Beschluss des US-Kongresses 1963 Ehrenbürger der Vereinigten Staaten von Amerika. Franklin Chang-Diaz ist Ehrenbürger Costa Ricas. Raoul Wallenberg wurde sogar von drei Staaten (Israel, USA und Kanada) zum Ehrenbürger ernannt.
Eine Ehrenbürgerschaft endet traditionell mit dem Tod des Geehrten.
Aberkennung von Ehrenbürgerschaften |
Gelegentlich umstritten ist die postume Aberkennung einer Ehrenbürgerschaft insbesondere für Vertreter der NS-Herrschaft. Adolf Hitler erhielt sie in rund 4000 Städten (siehe Adolf Hitler als Ehrenbürger). Für Kriegsverbrecher wurde der Verlust der Ehrenbürgerwürde gemäß Artikel VIII, Ziffer II, Buchstabe i der Direktive 38 des Alliierten Kontrollrats in Deutschland vom 12. Oktober 1946 festgelegt. Dies setzte freilich eine gerichtliche Verurteilung voraus und galt mithin nicht für Hitler.
Einige Städte haben damaligen bereits verstorbenen Machthabern die Ehrenbürgerschaft dennoch symbolisch aberkannt. Der Berliner Magistrat entzog bereits 1948 Hitler und Joseph Goebbels die Ehrenbürgerschaft. Weitere Aberkennungen der Ehrenbürgerschaft Hitlers in neuerer Zeit erfolgten u. a. in Düsseldorf (2000), Saarbrücken (2001), Aschersleben (2006), Bad Doberan, Biedenkopf (2007) und Kleve (2008) sowie in Forst (Lausitz) (2009). In Österreich wurde ihm im Mai 2011 die Ehrenbürgerschaft von Amstetten aberkannt.[2]
Dagegen argumentieren einige Kommunen, dass die Ehrenbürgerschaft von Toten nicht tilgbar ist, da die Ehrenbürgerschaft als eine persönliche Auszeichnung nur einem Lebenden zu- und aberkannt werden kann. Solche Kommunen distanzieren sich dann gelegentlich symbolisch von den einstigen Ehrenbürgern ohne formelle Aberkennung, so geschehen u. a. 2013 in Schmidmühlen und 2016 in Lünen.[3] Dieses Vorgehen entspricht der Ansicht des Verfassungsrechtlers Theo Öhlinger: Die Aberkennung „braucht es nicht rechtlich gesehen, aber es ist ein symbolischer Akt, wenn bestimmte Menschen Ehrenbürger sind, die […] alles andere als zur Ehre der Gemeinde beitragen, dann hat es natürlich schon einen Sinn, sich […] öffentlich zu distanzieren.“[4]
Nach der Deutschen Wiedervereinigung kam es in Kommunen der neuen Bundesländer zur Aberkennung von Ehrenbürgerschaften, die von der Führung der DDR verliehen worden waren. So wurde 1992 die Ehrenbürgerschaft Berlins dem lebenden Erich Honecker und postum Wilhelm Pieck, Friedrich Ebert junior sowie zahlreichen teils lebenden, teils verstorbenen sowjetischen Militärpersonen und Funktionären aberkannt.
Ehrenbürgerschaft postum |
Der nach 1945 einsetzenden Aberkennung der Ehrenbürgerschaften von Toten folgte ab 1970 die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Tote. In diesem Jahr verlieh Ost-Berlin die Ehrenbürgerschaft an den 1929 verstorbenen Heinrich Zille und den 1967 verstorbenen Otto Nagel sowie 1975 an den 1945 verstorbenen Nikolai Erastowitsch Bersarin. Das wiedervereinigte Berlin ehrte 2002 die 1992 verstorbene Marlene Dietrich mit der Ehrenbürgerschaft. Sechzig Jahre nach seinem Tod, im Jahre 2003, verlieh die saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken dem 1943 hingerichteten Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus Willi Graf die Ehrenbürgerwürde, 2016 nach Genehmigung durch den Deutschen Städtetag dem 1945 verstorbenen Sozialdemokraten Max Braun. Nachdem das Thüringer Innenministerium 2017 erstmals einer postumen Verleihung einer Ehrenbürgerwürde zugestimmt hatte, wurde der 1945 standrechtlich erschossene letzte Gothaer Kampfkommandant Josef Ritter von Gadolla im Mai 2018 zum Ehrenbürger Gothas ernannt.[5]
Sonstiges |
Die 1. Polnische Panzerdivision befreite am 29. Oktober 1944 die niederländische Stadt Breda (die seit Mai 1940 von der Wehrmacht besetzt gewesen war). Dafür wurden alle Soldaten dieser Einheit zu Ehrenbürgern der Stadt ernannt.
Literatur |
Karlheinz Spielmann: Ehrenbürger und Ehrungen in Geschichte und Gegenwart. Eine Dokumentation zur deutschen und mitteleuropäischen Geschichte. 2 Bände, Selbstverlag, Dortmund-Barop 1965, 3., wesentlich erweiterte Auflage, Selbstverlag, Dortmund-Barop 1967, Ergänzungsband, Selbstverlag, Dortmund-Barop 1971.
Weblinks |
Commons: Ehrenbürgerschaft – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise |
↑ Verdiente Bürger - gotha.de (zuletzt abgerufen am 18. September 2015)
↑ Hitler nicht mehr Ehrenbürger in Amstetten. In: noe.orf.at, 24. Mai 2011. Abgerufen am 24. Mai 2011.
↑ Auf Distanz zu Ehrenbürgerschaften. In: Mittelbayerische vom 26. April 2013.
↑ Siehe der em. Univ.-Prof. Theo Öhlinger, Verfassungsrechtler an der Universität Wien und Autor, zur Thematik befragt in der ZIB 2 des ORF am 24. Mai 2011.(Transkript des Beitrags Hitler als Ehrenbürger von der ORF TVthek am 24. Mai 2011; Sendung war nur 7 Tage abrufbar.)
↑ "Josef von Gadolla: Toter Retter der Stadt Gotha wird Ehrenbürger"; https://www.mdr.de/thueringen/west-thueringen/gotha/gotha-ehrenbuerger-wuerde-stadtkommandant-gadolla-100.html