Europäisches Raumflugkontrollzentrum
Das Europäische Raumflugkontrollzentrum (Kürzel ESOC für englisch European Space Operations Centre) ist eines der Operationszentren der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) mit Hauptsitz im Europaviertel von Darmstadt (Hessen, Deutschland). Es wurde am 8. September 1967 vom damaligen Bundesforschungsminister der Bundesrepublik Deutschland, Gerhard Stoltenberg, eröffnet.
Das ESOC ist das Missionskontrollzentrum für die meisten Weltraumprojekte der ESA. Mit seinen 800 Mitarbeitern betreut es ein gutes Dutzend Vorhaben gleichzeitig und verwendet als weltweites Netz von Bahnverfolgungsstationen sowohl ESTRACK als auch das Deep Space Network der NASA. Aufgrund von standardisierten Verfahren kann ESOC weltweit mit allen Anlagen nach CCSDS zusammenarbeiten und ganz oder zeitweise die Kontrolle von Missionen anderer Weltraumorganisationen z. B. ISRO oder JAXA übernehmen oder deren Missionskontrollzentren mit Daten unterstützen.
Während der Projektplanung empfehlen die Expertenteams geeignete Trägerraketen, Flug- und Umlaufbahnen sowie die Software für die Steuerung. Die zunehmenden Gefahren durch Weltraummüll – die vielen tausend Fragmente von Raumfluggeräten, die die Erde umkreisen – werden ebenfalls von ESA/ESOC überwacht. Das Space Debris Office betreibt dafür eine international gefragte Datenbank. Das Zentrum beherbergt zudem das Team des neuen ESA-Programms zur „Weltraumlageerfassung“ (Space Situational Awareness).
Inhaltsverzeichnis
1 Bodenstationen und Bodensysteme
2 Missionsbetrieb
3 Literatur
4 Weblinks
5 Einzelnachweise
Bodenstationen und Bodensysteme |
Unter dem Namen ESTRACK unterhält und kontrolliert ESOC ein weltweites Netz von neun eigenen Bodenstationen. Sechs Stationen mit Antennen in Villafranca del Castillo (Spanien), Maspalomas (Gran Canaria, Spanien), Santa Maria (Azoren), Kiruna (Schweden), Kourou (Französisch Guayana) sowie das Europäische Raumfahrtsicherheits- und Bildungszentrum in Redu (Belgien) haben die Aufgabe Raketen nach dem Start, Satelliten und Raumfahrzeuge in erdnahen Bahnen zu überwachen.[1] Zusätzlich kann ESTRACK bei Bedarf durch vertragliche Vereinbarungen kommerzielle Stationen in Dongara (Westaustralien), Santiago de Chile (Chile), South Point (Hawaii), Svalbard (Spitzbergen) und Troll Satelite Station (Antarktis) für Tracking nutzen.
Die drei Stationen in New Norcia (Australien), Cebreros (Spanien) und Malargüe (Argentinien)[2] bilden ein weltumspannendes Deep-Space-Netzwerk von drei 35-Meter-Cassegrain-Beam- Wave-Guide-Antennen, die eine lückenlose Überwachung von Missionen rund um die Uhr ermöglichen. ESA ist damit auch für interplanetarische Missionen unabhängig vom Deep Space Network der NASA, das eine vergleichbare Aufgabe erfüllt.
Im Rahmen des sogenannten „Bodensegments“ sind die Experten des ESOC auch für die Entwicklung von komplexen Missionskontrollsystemen sowie für Softwarelösungen für Simulationstrainings, Bodenstationskontrolle, Satellitensteuerung und hochpräzise Navigation zuständig. In der ESA-Logik werden diese europaweit einzigartigen Softwareentwicklungen der europäischen Industrie und Forschungsinstituten in kostenloser Lizenz zur Verfügung gestellt. Zur Missionskontrolle wird seit 2002 die Software SCOS-2000 eingesetzt, die von verschiedenen Missionen lizenziert werden kann.[3]
Missionsbetrieb |
Die Bedeutung des Zentrums hat im Laufe des letzten Jahrzehnts mit immer mehr europäischen Raumfahrtmissionen zugenommen. Diese umfassen u. a. planetare Missionen, Astronomie / Weltraumteleskope, Erd- und Umweltbeobachtung sowie Zuarbeiten bei bemannter Raumfahrt (Automated Transfer Vehicle) und Navigation (Galileo (Satellitennavigation)). In 50 Jahren seit Bestehen war ESOC Kontrollstation für 77 Missionen.[4][5] Zu den aktuellen, wichtigen ESA-Missionen, die über das ESOC gesteuert werden, gehören: XMM-Newton, Integral, Cluster II, Sentinel-1 (A und B), Sentinel-2A, SWARM, CryoSat-2, Mars Express, Gaia, Rosetta, sowie ExoMars Trace Gas Orbiter.
Nicht zu den Aufgaben von ESOC gehört die wissenschaftliche Auswertung von Missionsdaten, diese werden nach Empfang an die entsprechenden Missionen zur Auswertung weitergeleitet. In Villafranca bei Madrid befindet sich das zentrale Datenarchiv für die ESA, das alle gewonnenen Missionsdaten archiviert und langfristig für kommende Generationen für die Forschung bereitstellt.
Im Umfeld des ESOC ist ein Informations- und Gründerzentrum für Satellitennavigation aufgebaut worden – das Cesah, „Centrum für Satellitenanwendungen Hessen“. Es geht aus einer Initiative von ESA Technology Transfer („Business Incubation“), Land Hessen, Stadt Darmstadt, Technischer Universität und Hochschule Darmstadt sowie anderen großen Unternehmen der Region hervor. Bisher hat Cesah insgesamt 40 junge Unternehmen und Neugründungen bei der Entwicklung und Markteinführung neuer Dienstleistungen mit Bezug zur Satellitennavigation unterstützt.
Literatur |
- Madeleine Schäfer: How to survive in Space 2 Bände, 1997 zum 30. Jubiläum herausgebracht von ESA.
Weblinks |
Commons: Europäisches Raumflugkontrollzentrum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
ESOC-Webseite (englisch) und deutscher Überblick
Video zum ESOC in Darmstadt (deutsch)
Hauptkontrollraum des ESOC in Darmstadt (englisch)- Webseite Cesah-Gründerzentrum für Satellitennavigation
Einzelnachweise |
↑ ESA Portal. Abgerufen am 6. Dezember 2012.
↑ Europe opens state of the art satellite tracking station in Argentina. In: en.mercopress.com. 19. Dezember 2012, abgerufen am 5. April 2013 (englisch).
↑ esa: SCOS-2000. In: European Space Agency. (esa.int [abgerufen am 31. Oktober 2017]).
↑ esa: Brief history of ESOC. Abgerufen am 12. September 2017 (britisches Englisch).
↑ esa: Happy birthday ESOC. In: European Space Agency. (esa.int [abgerufen am 12. September 2017]).
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49.8708333333338.6219444444444Koordinaten: 49° 52′ 15″ N, 8° 37′ 19″ O