Elementarer vorhersagbarer stochastischer Prozess
Die elementaren (vorhersagbaren) stochastischen Prozesse, meist einfach elementare Prozesse genannt,[1] sind eine Klasse von stochastischen Prozessen in der Wahrscheinlichkeitstheorie. Sie zeichnen sich durch ihre Einfachheit aus und entsprechen einer stochastischen Verallgemeinerung der Treppenfunktionen. Das Ito-Integral lässt sich aus den elementaren Prozessen durch Vervollständigung gewinnen, ähnlich der Konstruktion des Lebesgue-Integrals aus den einfachen Funktionen. Somit gehören die elementaren Prozesse zur Grundlage der stochastischen Analysis.
Inhaltsverzeichnis
1 Definition
2 Varianten in der Definition
3 Erläuterung
4 Eigenschaften
5 Literatur
6 Einzelnachweise
Definition |
Gegeben sei
- ein Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,F,P){displaystyle (Omega ,{mathcal {F}},P)}
- die Indexmenge T=[0,∞){displaystyle T=[0,infty )}
- eine Filtration F=(Ft)t∈T{displaystyle mathbb {F} =({mathcal {F}}_{t})_{tin T}}.
Dann heißt ein reellwertiger stochastischer Prozess H=(Ht)t∈T{displaystyle H=(H_{t})_{tin T}} auf (Ω,F,P){displaystyle (Omega ,{mathcal {F}},P)} ein elementarer Prozess, wenn es ein n∈N{displaystyle nin mathbb {N} } gibt, so dass Zahlen
- 0=t0<t1<⋯<tn−1<tn<∞{displaystyle 0=t_{0}<t_{1}<dots <t_{n-1}<t_{n}<infty }
existieren und für i=1,…,n{displaystyle i=1,dots ,n} Fti−1{displaystyle {mathcal {F}}_{t_{i-1}}}-messbare Zufallsvariablen hi−1{displaystyle h_{i-1}} existieren, so dass
- Ht(ω)=∑i=1nhi−1(ω)1(ti−1,ti](t){displaystyle H_{t}(omega )=sum _{i=1}^{n}h_{i-1}(omega )mathbf {1} _{(t_{i-1},t_{i}]}(t)}
ist. Dabei bezeichnet 1A{displaystyle mathbf {1} _{A}} die charakteristische Funktion auf der Menge A{displaystyle A}
Varianten in der Definition |
Die Definitionen unterscheiden sich in der Literatur teilweise dadurch, dass in der Definition die Beschränktheit der Zufallsvariablen hi{displaystyle h_{i}} gefordert wird. Geschieht dies nicht in der Definition, so werden die elementaren Prozesse nachträglich auf die Menge der beschränkten elementaren Prozesse eingeschränkt.
Des Weiteren wird für die gesamte Konstruktion des Ito-Integrals vorausgesetzt, dass die üblichen Bedingungen gelten, diese zusätzliche Annahme hat aber keinen Einfluss auf die in diesem Artikel besprochenen Eigenschaften.
Erläuterung |
Interpretiert man T{displaystyle T} als zeitlichen Verlauf des Prozesses, so besteht der elementare Prozess in dem Zeitraum
(ti−1,ti]{displaystyle (t_{i-1},t_{i}]} unverändert aus der Zufallsvariable hi−1{displaystyle h_{i-1}},
um dann zum Zeitpunkt ti{displaystyle t_{i}} zur nächsten Zufallsvariable überzugehen. Somit kann der Prozess als "stückweise konstant" angesehen werden. Dies wird noch eindeutiger, wenn man ein ω0∈Ω{displaystyle omega _{0}in Omega } auswählt und die Funktion
- t↦Ht(ω0){displaystyle tmapsto H_{t}(omega _{0})}
betrachtet. Sie ist eine Treppenfunktion und nimmt auf dem Intervall (ti−1,ti]{displaystyle (t_{i-1},t_{i}]} den Wert hi−1(ω0){displaystyle h_{i-1}(omega _{0})} an.
Eigenschaften |
Ein elementarer Prozess ist immer ein linksstetiger Prozess. Dies folgt daraus, dass die Intervalle (ti−1,ti]{displaystyle (t_{i-1},t_{i}]} rechts abgeschlossen sind. Daher ist für alle ω0∈Ω{displaystyle omega _{0}in Omega } die Treppenfunktion (vgl. oben)
- t↦Ht(ω0){displaystyle tmapsto H_{t}(omega _{0})}
eine linksstetige Funktion und damit auch der Prozess linksstetig.
Des Weiteren sind elementare Prozesse wegen der Fti−1{displaystyle {mathcal {F}}_{t_{i-1}}}-messbarkeit der hi−1{displaystyle h_{i-1}} immer adaptiert.
Aufgrund der Definition der vorhersagbaren σ-Algebra folgt aus der Linksstetigkeit und Adaptiertheit eines Prozesses die Vorhersagbarkeit des Prozesses. Folglich sind elementare Prozesse stets vorhersagbar.
Außerdem bildet die Menge der elementaren Prozesse einen Vektorraum, der ein Unterraum der reellwertigen Funktionen auf Ω×T{displaystyle Omega times T} ist. Bezeichnet man mit Eb{displaystyle {mathcal {E}}_{b}} die Menge der beschränkten elementaren Prozesse, so lässt sich darauf eine Abbildung
- ‖⋅‖Eb:Eb→R{displaystyle |cdot |_{{mathcal {E}}_{b}}colon {mathcal {E}}_{b}to mathbb {R} }
durch
- ‖H‖Eb:=E(∫THs2dλ(s))12=(∑i=1nE(hi−12)(ti−ti−1))12{displaystyle |H|_{{mathcal {E}}_{b}}:=operatorname {E} left(int _{T}H_{s}^{2}mathrm {d} lambda (s)right)^{frac {1}{2}}=left(sum _{i=1}^{n}operatorname {E} (h_{i-1}^{2})(t_{i}-t_{i-1})right)^{frac {1}{2}}}
definieren. Dabei handelt es sich um eine Halbnorm.
Literatur |
- Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-36017-6, doi:10.1007/978-3-642-36018-3.
- David Meintrup, Stefan Schäffler: Stochastik. Theorie und Anwendungen. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 2005, ISBN 978-3-540-21676-6, doi:10.1007/b137972.
Einzelnachweise |
↑ Meintrup, Schäffler: Stochastik. 2005, S. 413.