Aachener Königspfalz
Die Pfalz in Aachen war der wichtigste früh- und hochmittelalterliche Herrschersitz des fränkischen und später ostfränkisch-deutschen Königreiches. Ihre Bedeutung verdankte sie vor allem dem Umstand, dass sie die Lieblingspfalz Karls des Großen war. In der Pfalzkapelle der Anlage, dem heutigen Aachener Dom, wurden über einen Zeitraum von 600 Jahren mehr als 30 römisch-deutsche Könige gekrönt, die sich in der direkten Nachfolge Karls des Großen sahen.
Schon durch ihre bloße Größe ungewöhnlich, wurde sie im äußersten Osten der Kernlandschaft der frühen Karolinger, deren Zentrum um Lüttich und Herstal liegt, errichtet.
Inhaltsverzeichnis
1 Geschichte
2 Konzeption
3 Literatur
4 Weblinks
5 Anmerkungen
Geschichte |
Schon zu Zeiten des fränkischen Königs Pippins des Jüngeren lassen sich im Gebiet der späteren Pfalz Bauten nachweisen. Diese beschränkten sich wohl aber eher auf Einrichtungen wie die eines größeren zeitgenössischen Gutshofs. Erst Karl der Große ließ die Pfalz ab etwa 780 zu einer großen Anlage mit Königshalle (Aula regia), Pfalzkapelle, Wohnturm, Garnison und Gerichtssälen ausbauen. Karl verfolgte damit das Ziel, ein „Neues Rom“ (Roma secunda) nördlich der Alpen als festen Regierungssitz seines Fränkischen Reiches zu errichten, das sich in der Nachfolge des Römischen Reiches sah. Im Winter 804/05 wurde die Pfalzkapelle, erbaut durch Odo von Metz, von Papst Leo III. geweiht. Zu dieser Zeit waren die wichtigsten karolingischen Anlagen bereits vollendet.
Im Jahre 936 wurde in der Aachener Pfalz Otto der Große gekrönt, der damit die Grundlage für die Tradition der Krönung der römisch-deutschen Könige in Aachen begründete.
Im 14. Jahrhundert wurde auf Initiative des Bürgermeisters Gerhard Chorus und mit Spendengeldern von Richard von Cornwall anstelle der Königshalle das neue Aachener Rathaus errichtet, da das alte und im Grashaus untergebrachte Rathaus nicht mehr repräsentativ genug war. Zur selben Zeit wurde der karolingischen Pfalzkapelle ein gotischer Chor angefügt, zahlreiche Kapellen flankierten die Pfalzkapelle von nun an. Nach Bränden 1624 und 1656 wurden die Dächer der Pfalzkapelle 1664 erneuert.
Mit dem Ende der Königskrönungen in Aachen 1531 verlor die Pfalz ihre Bedeutung als traditioneller Krönungsort deutscher Könige. Seit 1802 jedoch bildet die als Marienkirche errichtete Pfalzkapelle den Zentralbau des heutigen Aachener Doms, der Kathedrale für das neu gegründete Bistum Aachen.
Konzeption |
Die Königs- und später Kaiserpfalz zu Aachen war größer als alle Güter, die je ein Frankenkönig vor Karl dem Großen besessen hatte. Ab dem Winter 794/795 ließ sich der fast fünfzigjährige Herrscher regelmäßig in Aachen nieder.
In der nach römischen Vorbildern erbauten Königshalle betrieb der Frankenkönig seine Politik. In angefügten, nicht mehr erhaltenen Gebäudeteilen wohnte Karl vermutlich mit seiner Familie. Dass der heute noch erhaltene Granusturm dabei als Wohnraum genutzt wurde, wird von der Forschung heute nicht mehr aufrechterhalten; er wird vielmehr als eines der ersten repräsentativen Treppenhäuser nördlich der Alpen gedeutet.[2] Ein zweigeschossiger Verbindungsbau führte zur Marienkirche, der Pfalzkapelle im Süden der Anlage. Der Verbindungsbau nahm wohl im oberen Teil die Hofschule auf, während der untere Bereich wahrscheinlich der Garnison vorbehalten war.
Die Pfalzkapelle bildete das Kernstück der Pfalzanlage und war prächtiger gestaltet als alle Steinbauten, die nördlich der Alpen bestanden. Aus Rom und Ravenna ließ Karl Säulen und Marmor zu ihrer Ausstattung heranschaffen. Ein hölzerner Gang gestattete es dem Herrscher, trockenen Fußes von seinen Wohnräumen in die Kirche zu gelangen.
Nach der Kaiserkrönung in Rom am ersten Weihnachtstag des Jahres 800 bezog Karl die vollendete Pfalz und machte sie zu seiner dauerhaften Residenz bis zu seinem Tod im Jahre 814.
Literatur |
Carl Rhoen: Beschreibung und Geschichte der karolingischen Pfalz zu Aachen. In: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. Jg. 3 (1881), S. 1–96, ISSN 0065-0137 (verdienstvolle Arbeit des 19. Jahrhunderts, heute überholt).
Leo Hugot: Die Pfalz Karls des Großen in Aachen, Ergebnisse einer topographisch-archäologischen Untersuchung des Ortes und der Pfalz. In: Wolfgang Braunfels (Hrsg.): Karl der Große, Lebenswerk und Nachleben. Bd. III, Düsseldorf, 1965, S. 534–572.- Leo Hugot: Die Pfalz Karls des Großen in Aachen. In: Katalog der Ausstellung: Karl der Große. Werk und Wirkung. Aachen, 1965, S. 395–400.
Günther Binding: Deutsche Königspfalzen. Von Karl dem Großen bis Friedrich II. (765–1240). Primus-Verlag, Darmstadt 1996, ISBN 3-89678-016-6.- Judith Ley: Aquis palatium: Spätantiker Palast oder frühmittelalterliche Pfalz? Architekturhistorische Überlegungen zur Ikonographie der Aachener Pfalz, in: Michael Featherstone, Jean-Michel Spieser, Gülru Tanman, Ulrike Wulf-Rheidt (Hrsg.): The Emperor's House. Palaces from Augustus to the Age of Absolutism, Walter de Gruyter, 2015, S. 127–146.
- Judith Ley, Marc Wietheger: Licht für den kaiserlichen Aufstieg? Der Granusturm an der Palastaula Karls des Großen in Aachen. In: Peter I. Schneider (Hrsg.): Lichtkonzepte in der vormodernen Architektur. Internationales Kolloquium in Berlin vom 26. Februar bis 1. März 2009 (= Diskussionen zur archäologischen Bauforschung. Bd. 10). Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2011, ISBN 978-3-7954-2460-2, S. 280–287.
Andrea Pufke (Hrsg.): Die karolingische Pfalzkapelle in Aachen. Material – Bautechnik – Restaurierung (= Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 78). Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2012, ISBN 978-3-88462-325-1.- Walter Maas, Pit Siebigs: Der Aachener Dom. Schnell & Steiner, Regensburg 2013, ISBN 978-3-7954-2445-9, S. 20–24.
Harald Müller, Judith Ley, Andreas Schaub, Frank Pohle: Pfalz und vicus Aachen in karolingischer Zeit. In: Thomas R. Kraus (Hrsg.): Aachen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. 2: Karolinger – Ottonen – Salier. 765–1137 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Aachen 14 = Beihefte der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 8). Aachen 2013, S. 1–408.
Sebastian Ristow: Bauphasen der Kernpfalz nach den archäologischen Befunden. In: Thomas R. Kraus (Hrsg.): Aachen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. 2: Karolinger – Ottonen – Salier. 765–1137 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Aachen 14 = Beihefte der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 8). Aachen 2013, S. 119–122.- Frank Pohle (Hrsg.): Karl der Große – Charlemagne. Orte der Macht. Essays. Sandstein, Dresden 2014, ISBN 978-3-95498-092-5, darin:
- ders.: Die Gestalt der Aachener Pfalz. 200 Jahre Forschung – 150 Jahre Rekonstruktion. S. 218–225.
- Sebastian Ristow: Alles Karl? Zum Problem der Bauphasenabfolge der Pfalzanlage Aachen. S. 226–235.
- Judith Ley, Marc Wietheger: Der karolingische Palast König Davids in Aachen. Neue bauhistorische Untersuchungen zu Königshalle und Granusturm. S. 236–245.
- Harald Müller, Andreas Schaub: Die Pfalzsiedlung. Aachen in karolingischer Zeit. S. 246–253.
- Frank Pohle: Die Erforschung der karolingischen Pfalz Aachen. Zweihundert Jahre archäologische und bauhistorische Untersuchungen (= Rheinische Ausgrabungen. Bd. 70). Philipp von Zabern, Darmstadt 2015, ISBN 978-3-805-34955-0.
Weblinks |
Commons: Kaiserpfalz Aachen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Pfalzenforschung in Aachen. Fakultät für Architektur der RWTH Aachen, abgerufen am 12. Mai 2017.
Karl der Große und die Pfalz. Stadt Aachen, abgerufen am 12. Mai 2017.
Die Aachener Pfalzanlage wird systematisch erforscht. In: Archäologie Online. Abgerufen am 12. Mai 2017.
Anmerkungen |
↑ Kritisch hierzu Frank Pohle: Die Gestalt der Aachener Pfalz. 200 Jahre Forschung – 150 Jahre Rekonstruktion. In: ders. (Hrsg.): Karl der Große – Charlemagne. Orte der Macht. Essays. Dresden 2014, S. 218–225, hier S. 222.
↑ Pfalzenforschung in Aachen. Fakultät für Architektur der RWTH Aachen, abgerufen am 12. Mai 2017.
50.7754166666676.0838888888889Koordinaten: 50° 46′ 31,5″ N, 6° 5′ 2″ O