Umweltkostenrechnung




Umweltkostenrechnung ist ein in den 1990er Jahren entwickeltes Konzept, das der Planung, dem Management und dem Operationscontrolling in Unternehmen dient.[1] Seitdem wurden zahlreiche konzeptionelle Ansätze, die bspw. auf Prozesskostenrechnung oder dem Konzept „variable Kosten“ basieren, entwickelt, um eine breitere Anwendung zu ermöglichen.[2][3]




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Begriffsbestimmung


  • 2 Einordnung in das Nachhaltigkeitsmanagement


  • 3 Grenzen und Schwächen


  • 4 Praxisbeispiele


    • 4.1 Neumarkter Lammsbräu


    • 4.2 Ontario Hydro




  • 5 Siehe auch


  • 6 Literatur


  • 7 Weblinks


  • 8 Quellen





Begriffsbestimmung |


Die konventionelle Kostenrechnung dient der Ermittlung, Dokumentierung und Analyse aller in einem vordefinierten System (z. B. der gesamten Organisation oder einer Abteilung) anfallenden Kosten und der Zuordnung dieser zu Einheiten, Aktivitäten, Prozessen oder Produkten. Sie untersucht Deckungsbeiträge einzelner Produkte sowie Einnahmen und Ausgaben der Gesamtorganisation.
Die Umweltkostenrechnung hingegen beschäftigt sich mit der Erfassung von direkten und indirekten Kosten von betrieblichen Umwelteinwirkungen mit vertretbarem Aufwand, der verursachungsgerechten Verrechnung und der Berücksichtigung deren Auswirkung auf das Erreichen der betrieblichen Ziele.
Unter betrieblichen Umweltkosten werden hier Kosten verstanden, die durch die Umwelteinwirkungen der Organisation verursacht werden. Sie bestehen aus Umweltschutzkosten (nachsorgender u. integrierter Umweltschutz), Reststoffentstehungskosten (Einkauf, Transport u, Bearbeitung problematischer Stoffe) und Produktkosten.[4]


Bei der Umweltkostenrechnung handelt es sich sowohl um interne Umweltkosten (innerhalb des Betriebes) als auch externe Umweltkosten (außerhalb des Betriebes), die keinen engen zeitlichen Bezug zur verursachenden Aktivität aufweisen müssen. Obwohl häufig nur Kosten betrachtet werden, die betriebsintern durch die tatsächliche, allgemein bekannte und messbare Belastung der Umwelt (z. B. Abwasserabgabengesetz) oder die Reduzierung von Umwelteinwirkungen (z. B. CO2-Offsetting) entstehen, umfasst das moderne Verständnis von Umweltkosten auch alle emissions und reststoffbedingten Materialflusskosten, inkl. Einkaufs-, Personal-, Abschreibungs- und Entsorgungskosten.[5]



Einordnung in das Nachhaltigkeitsmanagement |


Durch die Umweltkostenrechnung gewinnen Unternehmen oder einzelne Abteilungen einen Einblick über die genaue Höhe der umweltinduzierten Kosten und sind dadurch in der Lage, diese Kosten mit den entsprechenden Erträgen bzw. Leistungen zu vergleichen. Durch die Ansätze der Umweltkostenrechnung lassen sich Kostensenkungspotentiale bei gleichzeitiger Umweltentlastung ermitteln. Diese Informationen unterstützen die Unternehmensführung bei Entscheidungen über zukünftige Aktivitäten eines Betriebes bzw. einer Abteilung. Des Weiteren können in vielen Fällen die Ökoeffektivität als auch die Ökoeffizienz eines Betriebes erhöht werden.[6]



Grenzen und Schwächen |


Eine Umweltkostenrechnung auf Basis der herkömmlichen Kostenrechnung ist vergangenheitsbezogen und macht keine Aussagen über die zukünftige Entwicklung.[7] Wie die konventionelle Kostenrechnung weist sie zudem das Problem der plausiblen Allokation von Gemeinkosten auf die Kostenstellen und Kostenträger auf. Aus Umweltsicht ist die unzureichende Berücksichtigung externer Kosten zu bemängeln. Umweltaspekte, die keine unmittelbaren finanziellen Konsequenzen für das Unternehmen haben, bleiben i. d. R. unberücksichtigt.



Praxisbeispiele |



Neumarkter Lammsbräu |


Die Neumarkter Lammsbräu als mittelständische Brauerei (ca. 80 Mitarbeitende) erstellt seit Anfang der neunziger Jahre betriebliche Stoff- und Energiebilanzen zur Optimierung der betrieblichen Ressourceneffizienz. 1996 wurde ein Umweltcontrolling-System eingeführt,um betriebliche Stoff- und Energieströme mit den jeweiligen Kostenströmen zu verbinden. Die Vollkosten der Neumarkter Lammsbräu lagen bei rund 8 Mio. Euro, davon 5,8 Prozent „primäre Umweltkosten“. Als primäre Umweltkosten werden Kosten bezeichnet, deren Entstehung unmittelbar dem betrieblichen Unternehmensziel „Umweltschutz“ zuzuordnen sind. Die „primären Umweltkosten“ teilen sich in Umweltentlastungskosten (Kosten, die zur Vermeidung und/oder Verminderung des betrieblichen Ressourcenverbrauchs anfallen) und Umweltbelastungskosten (Kosten bezeichnet, die aufgrund der Nutzung der Umwelt für den betrieblichen Leistungserstellungsprozess anfallen) auf. Zusätzlich wurde ein Ansatz entwickelt, mit dem gezeigt werden soll, in welcher Höhe externe Kosten durch die Einführung einer ökologischen Unternehmenspolitik vermieden werden.[8] Informationen zu Umweltkostenaktivitäten bei Neumarkter Lammsbräu werden jährlich im Öko- Controlling Bericht veröffentlicht.[9]



Ontario Hydro |


Die Ontario Hydro ist einer der größten Stromversorger Nordamerikas mit acht Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen, zwölf Kernkraftwerken und 69 Wasserkraftwerken. Bereits seit 1974 strebt das Unternehmen die Quantifizierung und Bewertung externer Effekte an. Als Monetarisierungsansätze stehen die „Willingness to pay“ und die „Willingness to accept“ im Zentrum. Von 1992 bis 1999 setzten Mitarbeiter der Ontario Hydro ein eigenes Kostenrechnungssystem ein, um externe Kosten in die Unternehmenssonderrechnung zu integrieren: das sogenannte „Full Cost Accounting“ (FCA).


Beim FCA werden die internen und externen (Umwelt-)Kosten mit den Umweltwirkungen verbunden. Von den möglichen externen Effekte wurden die fünf Kategorien: Sterblichkeit, Krankheitsfolgen, Krebsfälle, Ernteausfälle, Gebäudeschäden für das Unternehmen als entscheidungsrelevant eingestuft und in das Modell des FCA integriert. Die Ontario Hydro gewann die Einsicht, dass momentane potentielle externe Kosten in naher Zukunft zu internen Kosten werden können. Das FCA wurde in ein Gesamtunternehmenskonzept eingebunden, um diese Aspekte in der strategischen Ausrichtung zu berücksichtigen. Methodische Probleme bei Erfassung, Quantifizierung und der ökonomischen Bewertung von Umweltschäden konnten durch das FCA jedoch nicht gelöst werden.[10]



Siehe auch |



  • Umweltleistungsmessung

  • Umweltleistung

  • Kosten- und Leistungsrechnung

  • Life Cycle Costing

  • Vollkostenrechnung

  • Betriebliches Umweltinformationssystem

  • Nachhaltigkeitsmanagement

  • Materialflusskostenrechnung

  • Verursacherprinzip



Literatur |



  • Bundesumweltministerium (BMU) & Umweltbundesamt (UBA) (Hrsg.): Leitfaden Betriebliches Umweltkostenmanagement. BMU/UBA, Berlin 2003. (UBA Berlin (PDF; 442 kB))

  • Bundesumweltministerium (BMU) & Umweltbundesamt (UBA) (Hrsg.): Handbuch Umweltkostenrechnung. Vahlen, München 1996

  • Bundesumweltministerium (BMU); econsense (Hrsg.); S. Schaltegger, C. Herzig, O. Kleiber, T. Klinke, J. Müller (Autoren): Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen. Von der Idee zur Praxis: Managementansätze zur Umsetzung von Corporate Social Responsibility und Corporate Sustainability. 3. Auflage. BMU, econsense, Centre for Sustainability Management, Berlin/ Lüneburg 2007. (CSM Lüneburg (1,6 MB; PDF))

  • P. Letmathe: Umweltbezogene Kostenrechnung. Vahlen, München 1998.

  • Thomas Loew, Klaus Fichter, Uta Müller, Werner F. Schulz, Markus Strobel: Ansätze der Umweltkostenrechnung im Vergleich. Vergleichende Beurteilung von Ansätzen der Umweltkostenrechnung auf ihre Eignung für die betriebliche Praxis und ihren Beitrag für eine ökologische Unternehmensführung. Umweltbundesamt, Berlin 2003. (UBA Berlin (1,34 MB; PDF))

  • K. Fichter, T. Loew, E. Seidel: Betriebliche Umweltkostenrechnung: Methoden und praxisgerechte Weiterentwicklung. Springer Verlag, Berlin/ Heidelberg 1997, ISBN 3-540-62597-6.

  • J. Fresner, T. Bürki, H. Sittig: Ressourceneffizienz in der Produktion – Kosten senken durch Cleaner Production. Symposion Publishing, 2009, ISBN 978-3-939707-48-6.

  • P. Rikhardsson, M. Bennett, J. Bouma, S. Schaltegger (Hrsg.): Implementing Environmental Management Accounting: Status and Challenges. Springer, Dordrecht 2005.

  • E. Seidel: Ökologisches Controlling – Zur Konzeption einer ökologisch Verpflichteten von und in Unternehmen. In: R. Wunderer (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre als Management- u. Führungslehre. Stuttgart 1995.

  • S. Schaltegger, R. Burritt: Contemporary Environmental Accounting: Issues, Concept and Practice. Greenleaf, Sheffield 2000, ISBN 1-874719-34-9.

  • S. Schaltegger, M. Bennett, R. Burritt, C. Jasch (Hrsg.): Environmental Management Accounting for Cleaner Production. Springer, Dordrecht 2008, ISBN 978-1-4020-8912-1.

  • Stefan Schaltegger, Roger Burritt, Holger Petersen: An Introduction to Corporate Environmental Management. Striving for Sustainability. Greenleaf, Sheffield 2003, ISBN 1-874719-65-9.

  • S. Schaltegger, M. Bennett, R. Burritt (Hrsg.): Sustainability Accounting and Reporting. Springer, Dordrecht 2006.



Weblinks |



  • Centre for Sustainability Management der Universität Lüneburg

  • Environmental and Sustainability Accounting Network (EMAN)

  • Institut für ökologische Wirtschaftsforschung



Quellen |




  1. E. Seidel: Ökologisches Controlling – Zur Konzeption einer ökologisch Verpflichteten von und in Unternehmen. In: R. Wunderer (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre als Management- u. Führungslehre. Stuttgart 1995, S. 354–371.


  2. S. Schaltegger, R. Burritt: Contemporary Environmental Accounting: Issues, Concept and Practice. Greenleaf, Sheffield 2000.


  3. R. Burritt, T. Hahn, S. Schaltegger: Towards a Framework of EMA. In: M. Bennett, J. Bouma, T. Wolters (Hrsg.): Environmental Management Accounting: Informational and Institutional Developments. Kluwer Academic Publishers, Dordrecht NL 2002, S. 21–35.


  4. K. Fichter, T. Loew, E. Seidel: Betriebliche Umweltkostenrechnung: Methoden und praxisgerechte Weiterentwicklung. Springer Verlag, Berlin/ Heidelberg 1997, S. 122ff.


  5. Bundesumweltministerium (BMU); econsense (Hrsg.); S. Schaltegger, C. Herzig, O. Kleiber, T. Klinke, J. Müller (Autoren): Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen. Von der Idee zur Praxis: Managementansätze zur Umsetzung von Corporate Social Responsibility und Corporate Sustainability. 3. Auflage. BMU, econsense, Centre for Sustainability Management, Berlin/ Lüneburg 2007, S. 135. (CSM Lüneburg (1,6 MB; PDF))


  6. S. Schaltegger, R. Burritt: Contemporary Environmental Accounting: Issues, Concept and Practice. Greenleaf, Sheffield 2000, ISBN 1-874719-35-7.


  7. S. Schaltegger, T. Hahn, R. Burritt: Environmental Management Accounting - Overview and Main Approaches. In: E. Seifert, M. Kreeb (Hrsg.): Information, Organization and Environmental Management Accounting. Kluwer, Rotterdam 2001.


  8. T. Loew, K. Fichter, U. Müller, W. F. Schulz, M. Strobel: Ansätze der Umweltkostenrechnung im Vergleich. Vergleichende Beurteilung von Ansätzen der Umweltkostenrechnung auf ihre Eignung für die betriebliche Praxis und ihren Beitrag für eine ökologische Unternehmensführung. Umweltbundesamt, Berlin 2003, S. 150. (UBA Berlin (1,34 MB; PDF))


  9. lammsbraeu.de


  10. T. Loew, K. Fichter, U. Müller, W. F. Schulz, M. Strobel: Ansätze der Umweltkostenrechnung im Vergleich. Vergleichende Beurteilung von Ansätzen der Umweltkostenrechnung auf ihre Eignung für die betriebliche Praxis und ihren Beitrag für eine ökologische Unternehmensführung. Umweltbundesamt, Berlin 2003, S. 148. (UBA Berlin (1,34 MB; PDF))




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