Wellengleichung
Die Wellengleichung beschreibt mathematisch die Ausbreitung einer Welle z. B. von Schall oder Licht.
Wenn das Medium oder Vakuum die Welle nur durchleitet und nicht selbst Wellen erzeugt, handelt es sich genauer um
die homogene Wellengleichung, die lineare partielle Differentialgleichung zweiter
Ordnung
- 1c2∂2u∂t′2−∑i=1n∂2u∂xi2=0{displaystyle {frac {1}{c^{2}}}{frac {partial ^{2}u}{partial t^{prime 2}}}-sum _{i=1}^{n}{frac {partial ^{2}u}{partial x_{i}^{2}}}=0}
für eine reelle Funktion u(t′,x1,…,xn){displaystyle u(t',x_{1},dots ,x_{n})} der Raumzeit.
Hierbei ist n{displaystyle n} die Dimension des Raumes.
Der Parameter c{displaystyle c} ist die
Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle, also bei Schall (im homogenen und isotropen Medium) die Schallgeschwindigkeit
und bei Licht die Lichtgeschwindigkeit.
Wenn man Zeiten t′{displaystyle t'} durch Laufstrecken t=ct′{displaystyle t=c,t'} angibt, hat die Wellengleichung die Form wie für c=1{displaystyle c=1} (siehe auch natürliche Einheiten).
Die Wellengleichung heißt auch d'Alembert-Gleichung.
Sie zählt zu den hyperbolischen Differentialgleichungen.
Der Differentialoperator der Wellengleichung,
◻=∂2∂t2−∑i=1n∂2∂xi2{displaystyle Box ={frac {partial ^{2}}{partial t^{2}}}-sum _{i=1}^{n}{frac {partial ^{2}}{partial x_{i}^{2}}}},
ist der d’Alembert-Operator und wird dem Laplace-Operator Δ=∑i=1n∂2∂xi2{displaystyle Delta =sum _{i=1}^{n}{frac {partial ^{2}}{partial x_{i}^{2}}}} entsprechend
mit dem Formelzeichen ◻{displaystyle Box }, gesprochen Box, notiert.
Die Lösungen der Wellengleichung heißen Wellen. Weil die Gleichung linear ist, überlagern sich Wellen, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen.
Da die Koeffizienten der Wellengleichung nicht vom Ort oder der Zeit abhängen, verhalten sich Wellen unabhängig davon, wo oder wann und in welche Richtung man sie anregt.
Verschobene, verspätete oder gedrehte Wellen sind ebenfalls Lösungen der Wellengleichung.
Unter der inhomogenen Wellengleichung versteht man die linear inhomogene partielle Differentialgleichung
- ◻u=v .{displaystyle Box u=v .}
Sie beschreibt die zeitliche Entwicklung von Wellen in einem Medium, das selbst Wellen erzeugt. Die Inhomogenität v{displaystyle v}
heißt auch Quelle der Welle u{displaystyle u}.
Inhaltsverzeichnis
1 Die Wellengleichung in einer räumlichen Dimension
2 Die Wellengleichung in drei räumlichen Dimensionen
3 Retardiertes Potential
4 Lorentzinvarianz des d'Alembert-Operators
5 Siehe auch
6 Literatur
7 Weblinks
8 Einzelnachweise
Die Wellengleichung in einer räumlichen Dimension |
Der d'Alembert-Operator in einer räumlichen Dimension
- ∂2∂t2−∂2∂x2{displaystyle {frac {partial ^{2}}{partial t^{2}}}-{frac {partial ^{2}}{partial x^{2}}}}
zerfällt wie in der binomischen Formel (a2−b2)=(a−b)(a+b){displaystyle (a^{2}-b^{2})=(a-b)(a+b)}
in das Produkt (∂∂t−∂∂x)(∂∂t+∂∂x){displaystyle left({frac {partial }{partial t}}-{frac {partial }{partial x}}right)left({frac {partial }{partial t}}+{frac {partial }{partial x}}right)}.
Daher hat die Wellengleichung in einer räumlichen Dimension die allgemeine Lösung
- u(t,x)=f(x+t)+g(x−t){displaystyle uleft(t,xright)=f(x+t)+g(x-t)}
mit beliebigen zweifach differenzierbaren Funktionen f(x){displaystyle f(x)} und g(x){displaystyle g(x)}.
Der erste Summand f(x+t){displaystyle f(x+t)} ist eine nach links und der zweite Summand
g(x−t){displaystyle g(x-t)} eine nach rechts mit unveränderter Form laufende Welle.
Die Geraden x±t=constant{displaystyle xpm t={text{constant}}} sind die Charakteristiken der Wellengleichung.
Seien
- ϕ(x)=u(0,x)=f(x)+g(x){displaystyle phi (x)=u(0,x)=f(x)+g(x)}
der anfängliche Wert und
- ψ(x)=∂u∂t(0,x)=f′(x)−g′(x){displaystyle psi (x)={frac {partial u}{partial t}}(0,x)=f'(x)-g'(x)}
die anfängliche Zeitableitung der Welle.
Diese Funktionen des Raumes heißen zusammenfassend Anfangswerte der Welle.
Die Integration der letzten Gleichung ergibt
- f(x)−g(x)=∫x0xψ(ξ)dξ .{displaystyle f(x)-g(x)=int _{x_{0}}^{x}psi (xi ),mathrm {d} xi .}
Durch Auflösen erhält man
- f(x)=12(ϕ(x)+∫x0xψ(ξ)dξ) ,{displaystyle f(x)={frac {1}{2}}left(phi (x)+int _{x_{0}}^{x}psi (xi ),mathrm {d} xi right) ,}
- g(x)=12(ϕ(x)−∫x0xψ(ξ)dξ) .{displaystyle g(x)={frac {1}{2}}left(phi (x)-int _{x_{0}}^{x}psi (xi ),mathrm {d} xi right) .}
Ausgedrückt durch ihre Anfangswerte lautet daher die Lösung der Wellengleichung
- u(t,x)=12(ϕ(x+t)+ϕ(x−t)+∫x−tx+tψ(ξ)dξ) .{displaystyle u(t,x)={frac {1}{2}}left(phi (x+t)+phi (x-t)+int _{x-t}^{x+t}psi (xi ),mathrm {d} xi right) .}
Das ist auch als d'Alembert Lösung der Wellengleichung bekannt (d'Alembert, 1740er Jahre).[1]
Die Wellengleichung in drei räumlichen Dimensionen |
Die allgemeine Lösung der Wellengleichung lässt sich als Linearkombination von ebenen Wellen
- ei(kx−ωt){displaystyle mathrm {e} ^{mathrm {i} (mathbf {k} mathbf {x} -omega t)}}
mit ω=|k|{displaystyle omega =left|mathbf {k} right|}
schreiben. Solch eine ebene Welle bewegt sich in Richtung von k{displaystyle mathbf {k} }.
Bei der Superposition solcher Lösungen
- u(t,x)=Re∫dnka(k)ei(kx−|k|t){displaystyle u(t,mathbf {x} )={text{Re}}int mathrm {d} ^{n}k,a(mathbf {k} ),mathrm {e} ^{mathrm {i} (mathbf {k} ,mathbf {x} -|mathbf {k} |,t)}}
ist allerdings nicht offensichtlich, wie ihre Anfangswerte mit der späteren Lösung zusammenhängen.
In drei Raumdimensionen lässt sich die allgemeine Lösung der homogenen Wellengleichung durch Mittelwerte der Anfangswerte darstellen. Sei die Funktion u(t,x){displaystyle u(t,mathbf {x} )} und ihre Zeitableitung zur Anfangszeit t=0{displaystyle t=0} durch Funktionen ϕ{displaystyle phi } und ψ{displaystyle psi } gegeben,
- u(0,x)=ϕ(x), ∂∂tu(0,x)=ψ(x),{displaystyle u(0,mathbf {x} )=phi (mathbf {x} ),, {frac {partial }{partial t}}u(0,mathbf {x} )=psi (mathbf {x} ),,}
dann ist die Linearkombination von Mittelwerten
- u(t,x)=tMt,x[ψ]+∂∂t(tMt,x[ϕ]){displaystyle u(t,mathbf {x} )=t,M_{t,mathbf {x} }[psi ]+{frac {partial }{partial t}}(t,M_{t,mathbf {x} }[phi ])}
die zugehörige Lösung der homogenen Wellengleichung. Dabei bezeichnet
- Mt,x[χ]=14π∫−11dcosθ∫02πdφχ(x+tn(θ,φ))mitn(θ,φ)=(sinθcosφsinθsinφcosθ){displaystyle M_{t,mathbf {x} }[chi ]={frac {1}{4,pi }}int _{-1}^{1}!!mathrm {d} cos theta int _{0}^{2pi }!!mathrm {d} varphi ,chi (mathbf {x} +tmathbf {n} (theta ,varphi ))quad {text{mit}}quad mathbf {n} (theta ,varphi )={begin{pmatrix}sin theta cos varphi \sin theta sin varphi \cos theta end{pmatrix}}}
den Mittelwert der Funktion χ,{displaystyle chi ,,} gemittelt über eine Kugelschale um den Punkt x{displaystyle mathbf {x} } mit Radius |t|.{displaystyle |t|.}
Insbesondere ist M0,x[χ]=χ(x).{displaystyle M_{0,mathbf {x} }[chi ]=chi (mathbf {x} ).}
Wie diese Darstellung der Lösung durch die Anfangswerte zeigt, hängt die Lösung stetig von den Anfangswerten ab und hängt zur Zeit t{displaystyle t} am Ort x{displaystyle mathbf {x} } nur von den Anfangswerten an den Orten y{displaystyle mathbf {y} } ab, von denen man x{displaystyle mathbf {x} } in der Laufzeit |t|{displaystyle |t|} mit Geschwindigkeit c=1{displaystyle c=1} erreichen kann. Sie genügt damit dem Huygensschen Prinzip.
Für eindimensionale Systeme und in geraden Raumdimensionen gilt dieses Prinzip nicht. Dort hängen die Lösungen zur Zeit t{displaystyle t} auch von
Anfangswerten an näheren Punkten y{displaystyle mathbf {y} } ab, von denen aus man x{displaystyle mathbf {x} } mit geringerer Geschwindigkeit erreicht.
Die Lösung der inhomogenen Wellengleichung in drei Raumdimensionen
- u(t,x)=tMt,x[ψ]+∂∂t(tMt,x[ϕ])+14π∫|z|≤|t|d3zv(t−sign(t)|z|,x+z)|z|{displaystyle u(t,mathbf {x} )=t,M_{t,mathbf {x} }[psi ]+{frac {partial }{partial t}}(t,M_{t,mathbf {x} }[phi ])+{frac {1}{4pi }}int _{|mathbf {z} |leq |t|}!!mathrm {d} ^{3}z,{frac {v(t-{text{sign}}(t)|mathbf {z} |,mathbf {x} +mathbf {z} )}{|mathbf {z} |}}}
hängt am Ort x{displaystyle mathbf {x} } zur Zeit t>0{displaystyle t>0} nur von der Inhomogenität auf dem Rückwärtslichtkegel von x{displaystyle mathbf {x} } ab, zu negativen Zeiten nur von der Inhomogenität auf dem Vorwärtslichtkegel.
Die Inhomogenität und die Anfangswerte wirken sich auf die Lösung mit Lichtgeschwindigkeit aus.
Retardiertes Potential |
Das retardierte Potential
- uretardiert(t,x)=14π∫R3d3zv(t−|z|,x+z)|z|{displaystyle u_{text{retardiert}}(t,mathbf {x} )={frac {1}{4pi }}int _{mathbb {R} ^{3}}mathrm {d} ^{3}z,{frac {v(t-|mathbf {z} |,,mathbf {x} +mathbf {z} )}{|mathbf {z} |}}}
ist eine Lösung der inhomogenen Wellengleichung,
die voraussetzt, dass die Inhomogenität v{displaystyle v}
auf allen Rückwärtslichtkegeln schneller als 1/r2{displaystyle 1/r^{2}} abfällt.
Es ist die Welle, die vollständig vom Medium erzeugt ist ohne eine durchlaufende Welle.
In der Elektrodynamik schränkt die Kontinuitätsgleichung die Inhomogenität ein. So
kann die Ladungsdichte einer nichtverschwindenden Gesamtladung zu keiner Zeit überall verschwinden.
In der Störungstheorie treten Inhomogenitäten auf, die räumlich nicht genügend schnell abfallen.
Dann divergiert das zugehörige retardierte Integral und hat eine sogenannte Infrarotdivergenz.
Die etwas aufwendigere Darstellung der Lösung durch ihre Anfangswerte zu endlicher Zeit und durch Integrale über
endliche Abschnitte des Lichtkegels ist frei von solchen Infrarotdivergenzen.
Lorentzinvarianz des d'Alembert-Operators |
Der d'Alembert-Operator ◻{displaystyle Box } ist invariant unter Translationen und Lorentztransformationen Λ{displaystyle Lambda } in dem Sinne, dass er angewendet auf Lorentzverkettete Funktionen f∘Λ−1{displaystyle fcirc Lambda ^{-1}} dasselbe ergibt, wie die
Lorentzverkettete abgeleitete Funktion
- (◻f)∘Λ−1=◻(f∘Λ−1) .{displaystyle (Box f)circ Lambda ^{-1}=Box ,(fcirc Lambda ^{-1}) .}
Entsprechend ist der Laplace-Operator invariant unter Translationen und Drehungen.
Die homogene Wellengleichung ist sogar unter konformen Transformationen, insbesondere unter Streckungen invariant.
Siehe auch |
- Klein-Gordon-Gleichung
- Stehende Welle
Literatur |
Richard Courant, David Hilbert: Methoden der mathematischen Physik. Band 2. Zweite Auflage. Springer Verlag, Berlin 1968 (Heidelberger Taschenbücher 31, ISSN 0073-1684).
Fritz John: Partial Differential Equations, 4. Auflage, Springer 1982
Weblinks |
- Gernot Pfanner, Die Wellengleichung (PDF)
- Norbert Dragon, Geometrie der Relativitätstheorie (PDF; 2,5 MB) Kapitel 5.5
Einzelnachweise |
↑ Eric Weisstein, d'Alembert's solution, Mathworld