Kraft durch Freude
Die Nationalsozialistische Gemeinschaft Kraft durch Freude (KdF) war eine politische Organisation mit der Aufgabe, die Freizeit der deutschen Bevölkerung zu gestalten, zu überwachen und gleichzuschalten. Die Zeitungen verkündeten die Gründung der Organisation Kraft durch Freude am 28. November 1933.
Die Organisation mit Sitz in Berlin bestand von 1933 bis 1945, wobei die meisten Aktivitäten mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 eingestellt wurden. KdF war eine Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Unter dem Amt für Reisen, Wandern und Urlaub war KdF der größte Reiseveranstalter im „Dritten Reich“. Veranstaltet wurden unter anderem Land- und Seereisen.
Inhaltsverzeichnis
1 Gründung
2 Ideologische Grundlagen und Ziele
3 Tätigkeiten
4 Organisation
5 Theater
6 Finanzierung
7 Siehe auch
8 Literatur
9 Weblinks
10 Einzelnachweise
Gründung |
Zur Entstehung von Kraft durch Freude trugen zwei Faktoren bei:
Zum einen war bereits in der Zeit der Weimarer Republik die durchschnittliche Zahl von Urlaubstagen bei Arbeitern und Angestellten auf acht bis zwölf Tage angestiegen; fast alle Arbeiter hatten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Jedoch bekamen meist nur ältere Betriebsangehörige so viel Urlaub, dass sie tatsächlich eine längere Reise hätten antreten können. Die Nationalsozialisten verlängerten den Urlaub auf zwei bis drei Wochen pro Jahr (wobei es hierfür noch keine gesetzliche Regelung gab). Indem die nationalsozialistische Regierung den Arbeitnehmern eine weitere Ausdehnung des Urlaubs und eine Verkürzung der Arbeitszeit versprach, konnte sie einen Teil der vormals marxistisch oder sozialdemokratisch gesinnten Arbeiterschaft umstimmen.
Zum anderen besaß das faschistische Italien unter Mussolini bereits seit 1925 eine Freizeitorganisation, die Opera Nazionale Dopolavoro (Nationales Freizeitwerk). Robert Ley, der Leiter der Deutschen Arbeitsfront, hatte diese 1929 auf einer Italienreise kennengelernt und schlug daher nach der Machtergreifung eine vergleichbare Organisation vor. Die Nationalsozialisten planten zunächst, sprachlich an die italienische Version angelehnt, ein „Feierabendwerk Nach der Arbeit“; der endgültig gewählte Name „Kraft durch Freude“ erwies sich jedoch als weit wirksameres Schlagwort. An der Planung war Robert Ley maßgeblich beteiligt, der als Leiter der DAF auch das Freizeitwerk führen sollte.
Am 14. November 1933 genehmigte Hitler die Pläne für ein Freizeitwerk. Die offizielle Gründung von KdF fand zwei Wochen später am 27. November 1933 auf einer Sondertagung der Deutschen Arbeitsfront statt, im Beisein von Rudolf Heß und Joseph Goebbels. Die Verordnung über die Deutsche Arbeitsfront vom 24. Oktober 1934 bestimmte die Deutsche Arbeitsfront zur Trägerin der KdF.
Ideologische Grundlagen und Ziele |
Das Ziel der Organisation „Kraft durch Freude“ war es, dem deutschen Volk (Leistungs-)„Kraft“ zu verleihen, einerseits, um die volkswirtschaftliche Produktion anzukurbeln, andererseits aber auch, um aus den Deutschen ein körperlich gesundes, kriegstüchtiges Volk zu machen. „Das Ziel der Organisation ist die Schaffung der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft und die Vervollkommnung und Veredelung des deutschen Menschen“.[1] Ein „nervenstarkes Volk“ und die „Veredelung des deutschen Menschen“ wollte man erreichen, indem man der arbeitenden Bevölkerung eine genau bemessene und durchstrukturierte Freizeit anbot. Die Arbeitsleistung und Produktivität sollten gesteigert werden, die Volksgesundheit sollte sich verbessern. Nicht lasterhaftes, verweichlichendes „Vergnügen“, sondern gesunde „Freude“ sollte dem Arbeiter „Kraft“ geben. Um sofort über hohe Mitgliederzahlen zu verfügen wurde der firmeneigene Betriebssport (gelber Sport) in Kraft durch Freude integriert.[2]
Während im italienischen Dopolavoro-Werk nur Arbeitnehmer organisiert waren, sollte das deutsche KdF Arbeitnehmer und Arbeitgeber unter einem Dach versammeln und so verhindern, dass eine reine Arbeiterorganisation entstünde, die möglicherweise politisch gefährlich werden konnte. Nicht die einzelnen Stände und Berufsgruppen sollten Einheiten bilden, sondern der Gedanke der klassenlosen „Volksgemeinschaft“ wurde betont. Die „Erhaltung des Arbeitsfriedens durch Befriedung der Arbeitenden“ war das offiziell ausgegebene Ziel.[3] Kraft durch Freude sollte also primär den inneren Frieden sichern, indem es den Arbeitern versprach, was sich bis dahin nur die Oberschicht leisten konnte: Reisen und eine ausreichende, ausgefüllte Freizeit. Die Nationalsozialisten wollten damit auch symbolisch die Marxisten übertrumpfen. Diese hätten, so die nationalsozialistische Propaganda, der Arbeiterschaft eine erfüllte Freizeit versprochen, aber diese Versprechen nie erfüllt. (Tatsächlich hatten jedoch in den 1920er Jahren verschiedene Gewerkschaften und andere Arbeiterorganisationen vergünstigte Pauschalreisen für ihre Mitglieder organisiert, wenn auch in geringem Umfang.)
Für die nationalsozialistischen Ideologen war Freizeit nicht als Selbstzweck denkbar, sondern musste im Dienste des Staates und des Volkes stehen. Offizielles Ziel von KdF war „die Schaffung eines neuen deutschen Menschen und einer neuen deutschen Gesellschaftsordnung. Der politischen und der wirtschaftlichen folgt die gesellschaftlich-kulturelle Neuordnung der deutschen Volksgemeinschaft“.[4] Auf der anderen Seite diente auch diese Organisation letztlich der Kriegsbereitschaft. Ein gesundes und motiviertes Volk galt den Nationalsozialisten auch als besonders kriegstüchtig. Die erhöhte Produktion, die man sich erhoffte, kam den Rüstungsbetrieben zugute. Erst kurz vor Kriegsbeginn wurden diese Ziele auch offiziell bekanntgegeben.
Die Grundidee von KdF beruhte auf soziologischen Erkenntnissen. Die immer effizienter werdende Arbeitswelt der Industriegesellschaft (Taylorismus, Fordismus) zermürbte die Arbeiter physisch und psychisch. Robert Leys ideologischer Grundgedanke war es, der Arbeiterschaft in ihrer Freizeit die Möglichkeit zur Erholung zu geben. Die Erholung sollte nicht der Langeweile und dem Amüsement dienen, sondern gezielt die Kräfte der arbeitenden Bevölkerung wiederherstellen, sie mit Energie und „Kraft“ für die Arbeit zu erfüllen. Die „Kraft durch Freude“-Aktivitäten wie Theaterbesuche, Urlaube und Rundfahrten zu niedrigsten Preisen waren Teil der Bemühung der nationalsozialistischen Führung, den deutschen Staat zur „Wohlfühldiktatur“ (Götz Aly) zu machen.[5] Hitler selbst wird von Ley mit folgenden Worten zitiert:
„Ich will, daß dem Arbeiter ein ausreichender Urlaub gewährt wird und daß alles geschieht, um ihm diesen Urlaub sowie seine übrige Freizeit zu einer wahren Erholung werden zu lassen. Ich wünsche das, weil ich ein nervenstarkes Volk will, denn nur allein mit einem Volk, das seine Nerven behält, kann man wahrhaft große Politik machen.“[6]
Zu den kulturellen Zielen zählte die Stärkung des Heimatgefühls, des Nationalstolzes und des Gemeinschaftsgefühls. Das deutsche Volk sollte in der gemeinsam verbrachten Freizeit zu einer starken, anderen Völkern überlegenen Gemeinschaft zusammengeschweißt werden. Man erhoffte sich von KdF auch Erfolge im Ausland: Das deutsche Volk sollte sein Selbstbewusstsein nach außen tragen und zugleich auf Auslandsreisen sein eigenes Vaterland mit anderen Ländern vergleichen können – zum Vorteil des eigenen Landes natürlich. Die Welt sollte den Eindruck eines gesunden und friedliebenden Deutschlands gewinnen.
Tätigkeiten |
KdF organisierte Bunte Abende, Gymnastik, Schwimmlehrgänge, Nähkurse, Schachturniere und Konzerte. Auch Erwachsenenbildung wurde gefördert.
Darüber hinaus initiierte die KdF Dorfverschönerungsaktionen. Ziel war, „das Dorf um seiner selbst willen und als nationalsozialistische Gemeinschaft und damit als Kraftquell für die ganze Nation“ zu gestalten. Ein wesentliches Instrument dazu war der „Wettbewerb um das schönste und vorbildlichste Dorf“.[7]
Der größte Geschäftsbereich von KdF war die Organisation von Ausflügen und Reisen. Das hierfür zuständige Amt für Reisen, Wandern und Urlaub erwirtschaftete rund vier Fünftel des Umsatzes.
Bekannte Einrichtungen und Projekte waren:
KdF-Wagen (unter diesem Namen zwar geplant und mit „Kdf-Wagen-Sparkarten“ finanziert, aber nie ausgeliefert)- Die Kreuzfahrtschiffe Wilhelm Gustloff (ab 1938), Der Deutsche (ab 1935), Dresden (ab 1934) und Robert Ley (ab März 1939).
Seebad Prora auf Rügen (nicht fertiggestellt)
Segeltörns mit dem Deutschen Hochseesportverband HANSA[8][9]
„Kraft durch Freude“ war auch das Motto, das die Nationalsozialistische Filmpolitik für die Wien-Film ausgegeben hatte.
Organisation |
Die Gemeinschaft Kraft durch Freude war in mehrere Ämter unterteilt (die jedoch teilweise im Laufe der Zeit ihre Bezeichnung wechselten oder umstrukturiert wurden):[10]
- Amt für Urlaub, Reisen und Wandern
- Amt für Schönheit und Würde der Arbeit
- Amt für körperliche Ertüchtigung und Sport
- Amt für geistige Aus- und Fortbildung
- Amt für Kultur
- Amt für Volkstum und Brauchtum (bzw. Heimat)
- Jugendamt
Ab 1937 verteilte sich die Organisation auf folgende Reichsämter:[11]
- „Amt für Reisen, Wandern und Urlaub“
- „Amt Schönheit der Arbeit“
- „KDF-Sportamt“,
- „Amt Deutsches Volksbildungswerk“
- „Amt Feierabend“ (zeitweise „Amt NS-Kulturgemeinde“)
- „Reichsheimstättenamt“
- „Amt Werkscharen“ (bis Ende 1936; „Amt Werkschar und Schulung“: Führungsnachwuchs der DAF)
- „Amt Wehrmachtheime“
Die KdF war in 15.051 NSDAP-Ortsgruppen vertreten.
Theater |
Theater, die dem KdF gehörten oder vom KdF kontrolliert wurden, waren:
- Berlin:
- KdF-Theater des Kindes
- Märchentheater
- Plaza-Theater
- Theater am Nollendorfplatz
- Theater am Schiffbauerdamm
- Theater des Volkes
- Breslau:
- Gerhart-Hauptmann-Theater
- Dessau:
- Friedrich-Theater, Muldstraße
- Hannover:
- Mellini-Theater
- Köln:
- Apollo-Theater
- Königsberg:
- Ostpreußenhalle
- Magdeburg:
- Kleinkunstbühne
- München:
- Märchentheater
- Prinzregententheater
- Posen:
- Metropol-Varieté
- Wien:
- Deutsches Volkstheater
- Die Komödie in der Johannesgasse (dem Deutschen Volkstheater angeschlossen)
- Raimund-Theater
- Volksoper
Finanzierung |
Die Mitglieder der Deutschen Arbeitsfront, in der ein Großteil der deutschen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Staatsbeamten organisiert waren, waren zugleich auch Mitglieder von Kraft durch Freude. Sie bezahlten einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von mindestens 0,50 Reichsmark.
Die große Mehrheit der KdF-Mitarbeiter arbeitete ehrenamtlich. Das senkte die Personalkosten des Programms. 1937 hatte KdF 106.000 ehrenamtliche und 4400 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Einnahmen der DAF wuchsen von 281 Mio. Reichsmark im Jahre 1933 auf 538 Mio. im Jahr 1939. Der überwiegende Teil waren Mitgliedsbeiträge. KdF wurde von der DAF mit 8 Mio. RM im Jahr 1934, 14,3 Mio. im folgenden Jahr und 1938 bereits mit 32,5 Mio. RM bezuschusst. Die Erwartungen, KdF würde sich durch die Einnahmen bei den Reisen selbst finanzieren, erfüllten sich nicht.[12] Die Teilnahmepreise bei Sport und Reisen waren für das Gros der arbeitenden Bevölkerung unerschwinglich.[13]
Siehe auch |
- Erholungsurlaub
- Flaggen der Gemeinschaft Kraft durch Freude
- Sprache des Nationalsozialismus
Literatur |
Walter Laufenberg: Im Wald und auf der Heide verlor ich "Kraft durch Freude" in: Welt hinter dem Horizont - Reisen in vier Jahrtausenden. Econ-Verlag Düsseldorf 1969, S. 43–56.- Wolfhard Buchholz: Die nationalsozialistische Gemeinschaft „Kraft durch Freude“: Freizeitgestaltung und Arbeiterschaft im Dritten Reich. Diss. München 1976.
- Victoria De Grazia: The culture of consent. Mass organizing of leisure in Fascist Italy. Cambridge u. a. 1981.
Hasso Spode: Arbeiterurlaub im Dritten Reich. In: Timothy Mason u. a.: Angst, Belohnung, Zucht und Ordnung. Herrschaftsmechanismen im Nationalsozialismus. Opladen 1982.- Hasso Spode/Albrecht Steinecke: Die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ – ein Volk auf Reisen? In: ders. (Hrsg.): Zur Sonne, zur Freiheit! Beiträge zur Tourismusgeschichte. Berlin 1991. ISBN 3-928077-10-4.
Arnd Krüger: Strength through joy. The culture of consent under fascism, Nazism and Francoism, in: James Riordan & Arnd Krüger (Hrsg.): The International Politics of Sport in the 20th Century. London: Spon 1999, 67 – 89.- Hasso Spode: Fordism, Mass Tourism and the Third Reich. In: Journal of Social History, Bd. 38, 2004.
- Hasso Spode: Some quantitative aspects of Kraft-durch-Freude-tourism. In: Margarita Dritsas (Hg.): European Tourism and Culture, Athen 2007.
- Bruno Frommann: Reisen im Dienste politischer Zielsetzungen. Arbeiterreisen und „Kraft durch Freude“-Fahrten. Stuttgart 1992
- Shelley Baranowski: Strength through joy: consumerism and mass tourism in the Third Reich. Cambridge 2004. ISBN 0-521-83352-3.
Götz Aly: Hitlers Volksstaat: Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-10-000420-5.
Die Dorfverschönerungsaktion der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude – Jahresbericht 1936“. Manuskript, Berlin 1937.- Florian Harms: Nazi-Propaganda: Wellness unterm Hakenkreuz. In: Spiegel online 19. Juli 2007.
Heinz Schön: Hitlers Traumschiffe. Die "Kraft durch Freude"-Flotte 1934–1939. Arndt Verlag, Kiel 2000, ISBN 3-88741-031-9
Weblinks |
Commons: Kraft durch Freude – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Kraft durch Freude. Artikel des Deutschen Historischen Museums
- Ausführliche Informationen zu KdF auf Shoa.de
- Gritt Brosowski, Göttingen: Die Nationalsozialistische Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ und das erste „KdF“ - Seebad Prora auf Rügen (PDF; 185 kB)
Deutschlandfunk, Kalenderblatt, 27. November 2013, Jochen Stöckmann: deutschlandfunk.de: NS-Freizeitorganisation vor 80 Jahren gegründet (9. Februar 2014)
Einzelnachweise |
↑ DAF Informationsdienst vom 26. Januar 1934, zit. n. Frommann 1992, S. 108
↑ Arnd Krüger: Strength through joy. The culture of consent under fascism, Nazism and Francoism, in: James Riordan & Arnd Krüger (Hrsg.): The International Politics of Sport in the 20th Century. London: Spon 1999, 67 – 89.
↑ C. Selzner 1937, zit. n. Spode 1991
↑ DAF Informationsdienst vom 20. November 1933, zit. n. Frommann 1992, S. 106
↑ Aly 2005
↑ Robert Ley: Durchbruch der sozialen Ehre, S. 208, zit. n. Frommann 1992, S. 108
↑ Die Dorfverschönerungsaktion der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ – Jahresbericht 1936
↑ Yacht 3, 1936, S. 22 online
↑ Frank Becker, Ralf Schäfer (Hrsg.): Sport und Nationalsozialismus. Wallstein Verlag, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8353-1923-3, S. 44
↑ Auszug aus der Rede Robert Leys zum Reichsparteitag 1934, nach: Paradiesruinen, S. 20, 8. Aufl., Ch. Links Verlag
↑ Organisationshandbuch NSDAP
↑ Vgl. Spode 1982, Spode 1991, Fromman 1992
↑ Rüdiger Hachtmann in Frank Becker und Ralf Schäfer, Sport und Nationalsozialismus, S. 44