Eremit
Ein Eremit (altgriechisch ἐρημίτης, eremítēs, aus griechisch ἔρημος, érēmos, das „Wüste“ und „unbewohnt“ bedeutet, daher „Wüstenbewohner“, deutsch auch „Einsiedler“) ist ein Mensch, der mehr oder weniger abgeschieden von den Menschen lebt (siehe Einsiedelei oder Eremitage).
Inhaltsverzeichnis
1 Begriff und Geschichte
2 Diözesaneremitentum
3 Bekannte Eremiten
4 Einsiedlerorden
5 Literatur
6 Siehe auch
7 Weblinks
8 Einzelnachweise
Begriff und Geschichte |
Ursprünglich wurde der Begriff nur auf Christen angewendet, die geistliche Motive für ihre Zuwendung zu dieser Lebensform hatten, nämlich die Wüstentheologie des Alten Testamentes, das heißt, die vierzigjährige Wüstenwanderung nach dem Auszug aus Ägypten, die eine Herzenswandlung bewirken sollte.
Teils wird der Begriff unkritisch auf jeden angewendet, der in Einsamkeit lebt. Im geistlichen Zusammenhang wird er manchmal als bedeutungsgleich mit Anachoret (aus griech. anachōreō, „zurückziehen“, „ins Land außerhalb der befestigten Stadt ausziehen“) benutzt, obwohl eine klare Unterscheidung geboten ist.
In der frühen Kirche unterschied man allein lebende (Anachoreten) und gemeinschaftlich lebende Eremiten. Aus ihren Einsiedeleien entstanden später oft Ordensgemeinschaften, Klöster oder auch Ortschaften.
Das Eremitentum gehört zu den ältesten Formen gottgeweihten Lebens und ist zugleich die früheste Form des Mönchtums in Europa. In der Regel des heiligen Benedikt (6. Jh.) wird der Eremit als eine der vier Arten von Mönchen angeführt.
Unter den Heiligen sind einige Eremiten, unter anderem die hll. Bruno (der Gründer des Ordens der Kartäuser), Coelestin, Meinrad und Gunther von Niederaltaich. Der heilige Franziskus verknüpfte das eremitische Leben mit der Wanderpredigt und dem Apostolat unter den Menschen („Stille und Stadt“). Ein selbständiger Ordenszweig innerhalb des Franziskanerordens mit gemäßigt eremitischer Prägung sind die Kapuziner.
In den Ländern der Habsburgischen Monarchie wurden die kontemplativen Orden und das Eremitentum unter Kaiser Joseph II. um 1780–1790 aufgehoben, obwohl die Landbevölkerung zu den Einsiedlern hielt und diese erfolglos zu verteidigen versuchte. Viele Eremiten flohen deshalb in die Schweiz.[1]
Ein Phänomen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts waren die Schmuckeremiten der englischen Landschaftsparks, professionelle Einsiedler, die während einer vertraglich festgelegten Dauer in eigens eingerichteten Eremitagen wohnten und sich zu bestimmten Tageszeiten sehen ließen, um die Eigentümer der Parks und deren Gäste mit ihrem Anblick zu unterhalten.
Diözesaneremitentum |
In der römisch-katholischen Kirche ist das Eremitentum eine der von der Kirche anerkannten Formen des geweihten Lebens. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der sich daraus ergebenden Revision des Kirchenrechts hat die Kirche die Lebensform des Eremiten, der dem Ortsbischof unterstellt ist, in das Kirchenrecht (Canon 603 des CIC) aufgenommen:
§ 1: Außer den Instituten des geweihten Lebens anerkennt die Kirche auch das eremitische oder anachoretische Leben, in dem Gläubige durch strengere Trennung von der Welt, in der Stille der Einsamkeit, durch ständiges Beten und Büßen ihr Leben dem Lob Gottes und dem Heil der Welt weihen.
§ 2: Als im geweihten Leben Gott hingegeben wird der Eremit vom Recht anerkannt, wenn er, bekräftigt durch ein Gelübde oder durch eine andere heilige Bindung, sich auf die drei evangelischen Räte öffentlich in die Hand des Diözesanbischofs verpflichtet hat und unter seiner Leitung die ihm eigentümliche Lebensweise wahrt.
Diese Einsiedler werden als Diözesaneremiten bezeichnet. Daneben gibt es Eremiten, die Mitglieder einer Ordensgemeinschaft sind und deren Unterhalt von der Ordensgemeinschaft getragen wird. Die Gesamtzahl der Eremiten in Deutschland wird auf 70 bis 80 Personen geschätzt.[2]
Bekannte Eremiten |
- Angelus de Scarpettis
- Antonius der Große
- Benedikt von Nursia
- Benedikt der Mohr
- Bruno von Köln
- Chariton der Bekenner
- Corrado Confalonieri
- David von Thessaloniki
- Edigna von Puch
- Euagrios Pontikos
Franziskus von Assisi (zeitweise)- Heimerad
- Heraklit
- Hilarion von Gaza
- Hieronymus von Bergamo
- Ida von Toggenburg
- Johannes Cassianus
- Juliana von Lüttich
- Juliana von Norwich
- Landelin von Ettenheimmünster
- Familie Lykow
- Maria von Ägypten
- Meinrad von Einsiedeln
- Niklaus von Flüe
- Notburga von Hochhausen
- Onophrios der Große
- Paulus von Theben
Rosa Flesch (zeitweise)- Sara von Ägypten
- Sergius von Radonesch
- Simeon von Trier
- Symeon Stylites der Ältere
- Timon von Athen
- Theophan Goworow
Thomas Merton (zeitweise)- Ursicinus
- Gunther von Niederaltaich
Papst Coelestin V.
Einsiedlerorden |
- Kamaldulenser
- Kartäuser
Bethlehemschwestern (Monastische Ordensfamilie von Betlehem, der Aufnahme Mariens in den Himmel und des hl. Bruno)
Literatur |
- Anne Bamberg: Eremiten und geweihtes Leben. Zur kanonischen Typologie. In: Geist und Leben. 78, 2005, ISSN 0016-5921, S. 313–318, online.
- Anne Bamberg: Kirchlich anerkannte Eremiten/innen. Canon 603 des Codex des kanonischen Rechtes und die Verantwortung des Diözesanbischofs. In: Ordenskorrespondenz. 45, 2004, ISSN 1867-4291, S. 425–433.
- Anne Bamberg: Im Licht von Theologie und Kirchenrecht. Katholische Eremiten und Gehorsam. In: Geist und Leben. 86, 2013, ISSN 0016-5921, S. 181–190.
- Gabriel Bunge OSB (Hrsg.) Evagrios Pontikos, Der Praktikos (Der Mönch). Hundert Kapitel über das geistliche Leben. 2. verbesserte und vermehrte Auflage. Beuroner Kunstverlag, Beuron 2008, ISBN 978-3-87071-170-2 (Weisungen der Väter 6).
Freddy Derwahl: Eremiten. Die Abenteuer der Einsamkeit. Pattloch, München 2000, ISBN 3-629-00833-X.- Maria Anna Leenen: Einsam und allein? Eremiten in Deutschland. Verlag Aschendorff, Münster 2006, ISBN 3-402-00235-3.
- Maria Anna Leenen: Sich Gott aussetzen und standhalten. Eremitisches Leben heute. Verlag Aschendorff, Münster 2009, ISBN 978-3-402-12811-4.
- Maria Anna Leenen (Hrsg.): Eine alte Lebensform in neuem Gewand. Der Canon 603 Codex Iuris Canonici. Aufsätze und Vorträge. Eine Arbeitshilfe. Verlag Traugott Bautz, Nordhausen 2012, ISBN 978-3-88309-696-4.
Fairy von Lilienfeld: Spiritualität des frühen Wüstenmönchtums. Gesammelte Aufsätze 1962–1971. Herausgegeben von Ruth Albrecht und Franziska Müller. Lehrstuhl für Geschichte und Theologie des Christlichen Ostens, Erlangen 1983, ISBN 3-923119-15-1 (Oikonomia 18).
Dominicus Meier OSB: Die Lebensform der leisen Töne – eremitisches Leben gemäß c. 603 CIC. Erbe und Auftrag. In: Monastische Welt. 86, 2, ISSN 0013-9963, S. 201–205.
Thomas Merton: Im Einklang mit sich und der Welt. = Contemplation in a World of Action. Diogenes Verlag, Zürich 1992, ISBN 3-257-22549-0 (Diogenes-Taschenbuch 22549).- Catherine Santschi: Eremiten in Tirol und Vorarlberg, Verlag Wenger, Brixen 2010, ISBN 978-88-6563-002-0.
- M. Antonia Sondermann: Praedicatio silentiosa et ecclesia minor, Eremitisches Leben nach dem geltenden Recht der katholischen Kirche, Beihefte zum Münsterschen Kommentar Nr. 68, Ludgerus-Verlag, Münster 2014, ISBN 978-3-87497-282-6.
Siehe auch |
- Inkluse
- Klause (Religion)
- Wüstenväter
Weblinks |
Commons: Eremiten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Eremiten in Deutschland
- Regula Benedicti: Die Arten der Mönche
Bibliothek der Kirchenväter, deutsche Übersetzung antiker Texte der Kirchenväter, Universität Freiburg (Schweiz)
- Eremitin Maria-Anna Leenen. In: Spiegel Online vom 26. Dezember 2014.
- Bolswert eremites engravings with descriptions from the De Verda Collection
Einzelnachweise |
↑ Catherine Santschi, Eremiten in Tirol und Vorarlberg, Verlag Wenger, Brixen 2010, Seite 7.
↑ Eremiten in Deutschland, in: „Welt und Umwelt der Bibel“, 2/2011, S. 62, Katholisches Bibelwerk e.V. Stuttgart.