Gewölbe
Ein Gewölbe ist eine nach oben hin gewölbte Gebäudedecke, die nicht – wie etwa eine Balkendecke – flach auf den Wänden aufliegt. Verschiedene Bautypen (etwa Tonnengewölbe, Klostergewölbe, Kreuzgratgewölbe, Kreuzrippengewölbe) leiten die aus der Nutzlast und dem Eigengewicht entstehenden Kräfte als Drucklast auf Wände und/oder Pfeiler ab. Die Gewölbetypen entwickelten sich im Laufe der Architekturgeschichte zu immer komplexeren Formen (Fächergewölbe, Netzgewölbe).
Inhaltsverzeichnis
1 Bauliche Merkmale von Gewölben
1.1 Art der Lastverteilung
1.2 Bauteile eines Gewölbes
1.3 Innere Wölblinie
2 Gewölbeformen
2.1 Typ Tonnengewölbe
2.1.1 Tonnengewölbe
2.1.2 Stichkappe
2.1.3 Muldengewölbe
2.1.4 Spiegelgewölbe
2.2 Klostergewölbe
2.3 Kuppel
2.4 Kreuzgewölbe
2.4.1 Kreuzgratgewölbe
2.4.2 Kreuzrippengewölbe
2.4.3 Sterngewölbe
2.4.4 Zellengewölbe
2.4.5 Netzgewölbe
2.4.6 Fächergewölbe
2.5 Hyperbolisches Paraboloid
3 Gewölbebau
4 Geschichte
5 Siehe auch
6 Literatur
7 Weblinks
8 Einzelnachweise
Bauliche Merkmale von Gewölben |
Art der Lastverteilung |
Im Gegensatz zur ungewölbten Holzbalkendecke oder Flachdecke treten bei einem Gewölbe nur Druckspannungen auf, sofern das Gewölbe einer Stützlinie folgt. So ist es möglich, größere Räume ohne Unterstützung von Pfeilern oder anderen Hilfskonstruktionen zu überdachen.
Dabei wirkt das Gewicht des Gewölbes an seinen Auflageflächen nicht nur senkrecht nach unten wie bei einer Balkendecke, sondern auch nach außen. Bei einem Gewölbe, das auf zwei parallelen Mauern aufsetzt, ergibt sich im Querschnitt ein kettenlinienförmiger Kraftfluss, der am höchsten Punkt beginnt, die Mauerkronen schneidet und am Boden außerhalb der Mauern endet. Die tragenden Mauern des Raumes müssen also nicht nur dem Gewicht standhalten, sondern auch Kräften, die sie nach außen drücken (Gewölbeschub).
Dem in dem Gewölbe entwickelten Seitendruck muss die Dicke in seinem höchsten Punkt entsprechen. Diese Dicke muss – dem vom Scheitel zum Auflagepunkt (der Mauerkrone) hin zunehmenden Gewölbedruck gemäß – bei weiter gespannten Gewölben ebenfalls zunehmen.
Die tragenden Mauern müssen so gebaut sein, dass sie dem Seitendruck, der aus den Proportionen des Raums, dem Gewicht und der Form des Gewölbes resultiert, standhalten können. Ein hoher Seitendruck kann durch Erhöhung der Mauerdicke oder durch Strebepfeiler in das Fundament abgeleitet werden. Eine weitere Möglichkeit bilden Zuganker, quer unter dem Gewölbe gespannte Metallstangen, die auf der Außenseite der Mauern verankert sind. Sie werden vorwiegend nachträglich zur Sicherung von Gebäuden verwendet, deren tragende Mauern dem Seitendruck nicht dauerhaft standhalten.
Bauteile eines Gewölbes |
Denkt man sich ein Tonnengewölbe von zwei sich kreuzenden Diagonalen (auf den Grundriss bezogen) unterteilt, heißen die dreieckigen Segmente zwischen den Widerlagern und dem Scheitel Wangen oder Walme. Die Segmente zwischen Schildbogen und Scheitelpunkt heißen Kappen. Die auf die Leibung projizierten Diagonalen, die Wangen und Kappen trennen, werden Gratbogen genannt.
Diese Segmente sind die Bausteine für kompliziertere Gewölbeformen, bei denen sich zwei oder mehr „gedachte“ Gewölbe durchdringen.
Innere Wölblinie |
Der Bogen, der vom Innenraum des Gewölbequerschnitts (der Laibung) aus sichtbar ist, wird innere Wölblinie genannt.
Bei Halbkreisgewölben bildet die innere Wölblinie einen Halbkreis.
Bei den flacheren Segment- oder Stichbogengewölben bildet sie weniger als einen Halbkreis, also ein Kreissegment von weniger als 180 Grad.
Bei Korbbogengewölben besteht das Gewölbe aus mehreren zusammengesetzten Kreissegmenten mit kleinerem Radius als dem des Gewölbes als Ganzem (ähnlich dem Rand einer Blüte oder dem eines Fallschirms).
Bei Spitzbogengewölben stoßen Gewölbeschenkel mit größerem Radius als der Hälfte der Gewölbebreite so aufeinander, dass am Scheitel ein spitzer Winkel entsteht.
Bei elliptischen Gewölben bildet die Wölblinie eine Parabel oder eine halbe Ellipse.
Bei scheitrechten Bögen sind die Schenkel gerade und stoßen im Scheitel in spitzem Winkel aufeinander.
Bei Klinoidengewölben, die im Brückenbau Verwendung finden, wird der Druck gerade, in der Regel horizontal verteilt.
Bei hyperbolisch-parabolischen Gewölben liegt eine komplexe, dreidimensional verzogene Form vor.
Gewölbe mit ungleichen Gewölbeschenkeln nennt man unsymmetrisch, solche mit nur einem Schenkel einhüftig.
Bei gestelzten Gewölben spricht man – wie bei gestelzten Bögen – von Gewölben, deren Gewölbeschenkel senkrecht nach unten mehr oder weniger verlängert sind.
Gewölbeformen |
Typ Tonnengewölbe |
Tonnengewölbe |
Hat ein Gewölbe zwei gleich lange parallele Widerlager, so nennt man es Tonnengewölbe, unabhängig von der Wölblinie. Bei rundbogigem Querschnitt spricht man von Rundtonne, bei spitzbogigem Querschnitt von Spitztonne. Ein Tonnengewölbe ist gerade, wenn es einen rechteckigen Grundriss hat, schief, wenn er parallelogramm- oder paralleltrapezförmig ist. Stehen die Wände nicht parallel zueinander, ergibt sich statt eines Zylindersegments ein Kegelsegment.
Eine spezielle Form des Tonnengewölbes ist die Preußische Kappendecke. Sie besteht aus sich wiederholenden flachen Rundtonnengewölben. Der Querschnitt einer solchen Kappe bildet ein Kreissegment. Die Höhe der Wölbung beträgt üblicherweise weniger als 15 % der Breite. Preußische Kappen wurden vor allem im 19. Jahrhundert zur Gestaltung von Geschossdecken, aber auch als Kellergewölbe verwendet.
Preußische Kappen sind auch unter dem Begriff „Berliner Gewölbe“ bekannt.
Stichkappe |
Dabei handelt es sich um ein kleineres Tonnengewölbe, welches in der Regel rechtwinklig (seltener schräg) in ein Hauptgewölbe einschneidet. Solche „Nebengewölbe“ werden beispielsweise oberhalb von Fenster- oder Türöffnungen, an Nischen oder kleineren Nebenräumen angeordnet, um die Belichtung des Gewölbes zu verbessern oder einen seitlichen Zugang zu ermöglichen.
Stichkappen sind gegen das Hauptgewölbe oft durch den sogenannten Kappenkranz abgetrennt. Haben die Scheitel zweier gegenüber liegender Stichkappen dieselbe Höhe wie der Scheitel des Hauptgewölbes, entsteht ein Kreuzgewölbe.
Muldengewölbe |
Schließt man die Enden eines Tonnengewölbes durch zwei nach innen geneigte Wangen ab, wird es zum Muldengewölbe. Das Muldengewölbe unterscheidet sich vom Klostergewölbe darin, dass es noch über eine (verkürzte) Scheitellinie verfügt, während alle Wangen des Klostergewölbes in einem gemeinsamen Scheitelpunkt zusammenlaufen.
Spiegelgewölbe |
Ein Spiegelgewölbe ist ein Muldengewölbe, dessen Rundungen in einer zentralen waagerechte Fläche – dem Deckenspiegel – auslaufen. Das Gewölbe wird also unterhalb seiner Scheitellinie durch eine waagerechte Ebene beschnitten. Diese Bauform eignet sich insbesondere für Plafondmalereien.
Klostergewölbe |
Beim Klostergewölbe werden von den Seiten eines rechteckigen Grundrisses aus vier Wangen gemauert, die zu einem gemeinsamen Scheitelpunkt aufsteigen. Die beiden Kappen eines Tonnengewölbes werden also durch Wangen ersetzt, es hat vier Mauern als Widerlager und in den Ecken verlaufen vier Gratlinien. Klostergewölbe mit quadratischem Grundriss werden auch als Platzlgewölbe oder böhmisches Platzl bezeichnet.
Kuppel |
Kuppeln lassen sich als Sonderform des Klostergewölbes mit vieleckigem, kreisförmigem oder ovalem Grundriss betrachten – sie haben ebenfalls nur einen Scheitelpunkt und der ganze Umfang ihres Grundrisses bildet das Widerlager. Typische Beispiele der Kirchenarchitektur sind achteckige sogenannte Klosterkuppeln über den Vierungen.
Kreuzgewölbe |
Werden die beiden Wangen eines Tonnengewölbes mit quadratischem Grundriss durch zwei Kappen mit gleichem Gratbogen ersetzt, entsteht ein Kreuzgewölbe mit vier Graten, vier Schilden und vier Widerlagerpunkten in den Ecken. Während die Grate beim Klostergewölbe als Innenecken ausgebildet sind, sind es beim Kreuzgewölbe Außenecken.
Falls die Kappen statt einer gleichmäßigen konkaven Wölbung zum Scheitelpunkt hin in eine konvexe Wölbung übergehen, also sphärisch gebaucht sind (und oben gegebenenfalls in einer Spitze enden), spricht man von Busung bzw. gebustem Gewölbe.
Das einfache Kreuzgewölbe kann auch als Kreuzgratgewölbe bezeichnet werden, welches als für die romanische Architektur typisch gilt.
Beim Kreuzrippengewölbe sind demgegenüber die Kanten der Grate als dekorative Kreuzrippen ausgebildet, die ein typisches Element der gotischen Architektur darstellen.
Wenn in der Längsachse eines Tonnengewölbes mehrere Kreuzgewölbe aufeinander folgen, bezeichnet man die an die Längswand anstoßenden Bögen als Schildbögen, die Bögen zwischen den einzelnen Gewölben dagegen als Gurtbögen oder Gurte. Liegen die Gewölbe von Mittel- und Seitenschiffen auf gleicher Höhe (Hallenkirche), werden die Gewölbebögen, die die Längsschiffe längs voneinander trennen, als Scheidbögen bezeichnet.[1]
Kreuzgratgewölbe |
Die Technik des Kreuzgratgewölbes wurde bereits in der Antike entwickelt und in den römischen Thermen zur Perfektion gebracht – im kaiserzeitlichen Tetrapylon von Cáparra ist noch eines erhalten, ebenso in der Kirche Santa Maria degli Angeli e dei Martiri in Rom, dem einstigen Frigidarium der Diokletiansthermen. Im Frühmittelalter wurde diese Gewölbeform wieder aufgenommen.
Kreuzgratgewölbe können als zwei einander durchdringende Tonnengewölbe definiert werden, wobei vier Kappen entstehen. Wo die Kappen aufeinanderstoßen, entstehen zwei sich kreuzende diagonale Grate, die von den vier Widerlagerpunkten in den Ecken ausgehen. Da bei rein geometrischer Austragung des Kreuzgewölbes aus zwei einander durchdringenden rundbogigen Tonnen die Diagonalgrate eine gedrückte, statisch ungünstige Form erhalten, sind die meisten Kreuzgewölbe zur Mitte hin überhöht. Denn der diagonale Grat, der eine größere Spannweite als die Schildbögen hat (weil die Diagonale eines Rechtecks länger ist als seine Kanten), wird bei statisch vorteilhafter rundbogiger Ausführung wegen seines größeren Radius höher als die Schildbögen. Man sagt dann, das Gewölbe sei „mit Stich“ gebaut oder „gebust“. Zum Bau eines Kreuzgratgewölbes ist stets eine vollflächig geschlossene Schalung erforderlich, da das Gewölbe erst nach der vollständigen Aushärtung trägt.
Steigt das Gewölbe zur Mitte hin stark an, so dass der Scheitel bzw. der Schlussstein des Gewölbes deutlich höher liegt als die Scheitel der Schildbögen, spricht man vom Domikalgewölbe.[2] Dieses findet sich im Mittelalter besonders in den westfranzösischen Regionen Anjou und Maine (Kathedrale von Angers, Saint Serge in Le Mans, Kathedrale von Le Mans) und in Deutschland in Westfalen (Dom zu Münster, Zisterzienserkirche Marienfeld) sowie in den nach westfälischen Vorbildern erbauten mecklenburgischen spätromanisch-frühgotischen Dorfkirchen mit gebustem Gewölbe. Oft sind Domikalgewölbe durch Längs- und Querrippen als achtteilige Gewölbe ausgebildet.
Kreuzrippengewölbe |
Kreuzrippengewölbe sind der Form nach den Kreuzgratgewölben ähnlich, haben jedoch an den sich kreuzenden Graten aus Steinen gemauerte diagonale Bögen, die Kreuzrippen. Im Kreuzungspunkt der Rippen befindet sich ein Schlussstein.
Das Gewölbe wird durch die selbst tragende Rippen gebildet und gehalten. Die Rippen kreuzen sich dabei wie die Diagonalen in einem Rechteck; sie leiten die Druck- und Schubkräfte des Gewölbes auf die Pfeiler ab. Jede Kreuzrippe setzt sich aus mehreren profilierten Werksteinen zusammen.
Das Kreuzrippengewölbe ist ein typisches Element der gotischen Architektur. Es ermöglichte hohe Kirchenräume. Die Wände wurden im Vergleich zum Tonnengewölbe entlastet und konnten mit größeren Fensterflächen versehen werden.
Als erste Kreuzrippengewölbe gelten die Seitenschiffsgewölbe der Kathedrale von Durham, kurz vor 1100 und damit 40 Jahre vor dem Beginn der Gotik mit dem Chorumgang der Abteikirche Saint-Denis. Bei den Querhausgewölben des Speyerer Doms ist die Bauzeit der Rippen fraglich, da die benachbarte Vierungskuppel in der Barockzeit stabilisiert wurde.[3]
Ist ein Rippengewölbe in der Querrichtung durch eine vom Schlussstein zu den Außenwänden gehende Rippe in sechs Kappen unterteilt, spricht man von einem sechsteiligen Gewölbe, das typisch für frühgotische Kirchenbauten ist. Bei Verwendung der sechsteiligen Gewölbe entsteht das sog. gebundene System, bei dem einem Mittelschiffsgewölbe auf jeder Seite zwei Seitenschiffsgewölbe zugeordnet sind. Liegt auch in Längsrichtung eine Scheitelrippe, entsteht ein achtteiliges Gewölbe.
Kreuzrippengewölbe können durch weitere Rippen unterstützt werden, sodass Rippenfächer, Rippensterne, Rippennetze oder andere Muster entstehen können. Dann werden die Gewölbe auch entsprechend bezeichnet (Fächergewölbe, Sterngewölbe, Netzgewölbe, Schlingrippengewölbe u. a.).
Die Formen der Rippengewölbe erfuhren eine bedeutende Variation. Fächergewölbe prägten besonders die englische Gotik, Schlingrippengewölbe die Spätgotik Obersachsens und Böhmens, beispielsweise in den Pfarrkirchen in Annaberg, Kuttenberg und Königswiesen oder in der Albrechtsburg in Meißen.
Sterngewölbe |
Das Sterngewölbe ist ein Kreuzgewölbe, bei dem die Gewölbekappen nochmals unterteilt werden. Werden in jeder solchen dreieckigen Gewölbekappe aus den drei Eckpunkten Rippen zweiter Ordnung hochgeführt, die sich in einem Scheitelpunkt vereinigen, entsteht ein weiteres Kleingewölbe. So bildet sich die Sternform der Rippen, die ihm den Namen gegeben hat. Beispiele für Sterngewölbe finden sich auch in der Backsteingotik, unter anderem in der Dominikanerkirche in Kulm und in der Zisterzienserabteikirche in Pelplin.
Zellengewölbe |
Zellengewölbe (auch Diamantgewölbe) sind eine Sonderform der Gewölbe der Spätgotik. Statt die zwischen den Rippen (oder Graten) eines Sterngewölbes entstehenden Dreiecke wie üblich als durchgehende, gebogene Kappen auszumauern, wurden diese aus drei geraden Flächen als pyramidale Hohlräume ausgebildet, so dass eine vielfach gefaltete Decke entsteht. Das Netz der tragenden Verstrebungen wurde dabei ohne Lehrgerüst durch kleine Gewölbe-„Zellen“ ausgefacht. Zellengewölbe sind (im Vergleich zu den anderen gotischen Gewölbeformen) relativ wenig verbreitet. Beispiele finden sich etwa in der Albrechtsburg in Meißen, in der Marienkirche in Danzig, im Göglhaus in Krems und in Schloss Greinburg in Grein an der Donau.
Netzgewölbe |
Wenn Gurtbögen fehlen, sich somit im Gewölbe keine Jocheinteilung mehr ablesen lässt und sich darüber hinaus die Gewölberippen vielfach überkreuzen wie die Fäden eines Netzes, spricht man von einem Netzgewölbe.
Fächergewölbe |
Fächergewölbe (Palmengewölbe, Strahlengewölbe)[4] entstehen, wenn von Auflagern oder Diensten an der Wand mehr als drei Rippen ausgehen, wodurch sich pro Jocheinheit nicht die Kreuzform des Kreuzrippengewölbes, sondern zwei strahlenförmig gegeneinanderlaufende Fächer bilden. Englische Fächergewölbe bestehen aus vom Rippenansatz aufsteigenden, kegelförmigen, gemauerten Schalen, deren Zwischenräume in der Gewölbemitte durch horizontale Platten abgedeckt werden.[5]
Zellengewölbe
Sterngewölbe in Kulm, Polen
Netzgewölbe in der Pfarrkirche St. Oswald-Möderbrugg, Steiermark
Schlingrippengewölbe in Königswiesen
Palmengewölbe der Jakobinerkirche, Toulouse
Fächergewölbe in Bath Abbey, England
Rippengewölbe aus Holz, St.-Bavo-Kirche, Haarlem, Holland
Hyperbolisches Paraboloid |
Diese Bauform hat auf Grund ihrer komplexen Geometrie erst in der neueren Baukunst Verbreitung gefunden. Es handelt sich um eine in alle drei Dimensionen verzogene Fläche, die den Kraftverläufen bei nicht eben begrenzten Dachflächen nachfolgt. Frühe Formen wurden mit flachen Ziegelgewölben realisiert (Katalanisches Gewölbe), heute werden sie häufig in Beton oder als Leimbinderkonstruktion ausgeführt, als fliegende Dächer können sie auch aus textilen Geweben bestehen.
Gewölbebau |
Da Gewölbe in der Regel erst in sich stabil werden, wenn der Schlussstein bzw. die Schlusssteine gesetzt sind (Ausnahme z. B. Santa Maria del Fiore in Florenz), müssen sie über Lehrgerüste, die die innere Laibung von unten her festlegen, aufgemauert werden. Nach Setzen der Schlusssteine können die Lehrgerüste entfernt werden.
Gewölbe wurden vorwiegend in Haustein, Backstein oder Bruchstein, seltener in Gussmörtel ausgeführt. Besonders leichte Gewölbe stellte man aus Kalktuffstein oder Tuffstein oder hohlem, gebranntem, Topfstein her (Tuffgewölbe, Topfgewölbe).
Als Hilfsmittel beim quadratischen Kreuzgewölbe werden häufig vorweg Gurtbögen eingezogen, die auf Säulen ruhen. Zur Erstellung der Gurtbögen werden halbkreisförmige Schablonen verwendet. Danach kann das Kreuzgewölbe auf die Gurtbögen aufgelegt werden.
In neuerer Zeit, vor allem seit den 1920er Jahren, wird auch dünnschaliger Stahlbeton als stabiles Baumaterial für Gewölbe verwendet.
Geschichte |
Kraggewölbe, auch falsche Gewölbe genannt, mit horizontal gefügten Steinlagen sind seit der Vorzeit belegt; im 14. Jahrhundert v. Chr. z. B. aus Mykene. Sie wurden regional bis in die Neuzeit errichtet.
Die echte Gewölbekonstruktion mit radial gefügten Steinen war aber schon den Ägyptern und Assyrern bekannt und wurde von den Etruskern in die Baupraxis des Abendlandes eingeführt. Vor allem die Römer haben den Gewölbebau weiterentwickelt und Tonnen-, Kreuz- und Kuppelgewölbe gebaut. In Rom haben sich einige herausragende Beispiele erhalten, so z. B. das Pantheon und die Maxentiusbasilika.
Die frühchristlichen Basiliken waren in der Regel nicht gewölbt, sondern flachgedeckt. Bedeutende spätantike Wölbungsbauten finden sich in Ravenna, so beispielsweise San Vitale. In der byzantinischen Baukunst erlebten die Kuppelkirchen eine Blüte. Das bedeutendste Beispiel ist die Hagia Sophia in Istanbul.
Mit der Eroberung Roms durch die Germanen ging ab dem 5. Jahrhundert im westlichen Europa der Bau von Gewölben stark zurück. Eine der wenigen Ausnahmen war der nach byzantinischem Vorbild errichtete Aachener Dom mit seiner hohen Kuppel.
Die höchste Ausbildung erfuhren die Kuppelgewölbe in der islamischen Architektur und die Kreuzgewölbe in der Baukunst des Mittelalters und der Renaissance. Zunächst wölbte man nur die schmaleren und niedrigeren Seitenschiffe, die breiten hohen Mittelschiffe blieben flachgedeckt. Dies änderte sich erst um das Jahr 1000. Anfangs war das Tonnengewölbe die Hauptbauform. In Burgund entstand beim Bau der Kirche von Cluny III das Spitztonnengewölbe. Der erste durchgehend kreuzrippengewölbte Bau war die Kathedrale von Durham. Das Kreuzrippengewölbe entwickelte sich zur standardmäßigen Gewölbeform der Gotik. Durch die Verstärkung der Gewölbewiderlager mit Hilfe von Strebebögen und Strebepfeilern erreichten die Baumeister Gewölbehöhen von bis zu 48 Metern (Kathedrale von Beauvais). Die Spätgotik bildete besonders in England und Deutschland dekorative Rippenfiguren aus, die Stern-, Netz- und Fächergewölbe.
Mit dem Ende der Gotik kehrte man in der Renaissance im Kirchenbau zur Tonnenwölbung zurück, die oft durch seitliche Stichkappen zu den Fenstern geöffnet wurde. Für die Deckenmalerei des Barock dienten oft Spiegelgewölbe großer Spannweite, beispielsweise Balthasar Neumanns Gewölbe über dem Treppenhaus der Würzburger Residenz. Zudem leitete die Renaissance eine neue Blüte des Kuppelbaus ein, wofür die Kuppel des Petersdoms in Rom steht.
Mit den neuen Baumaterialien Eisen und Beton begann im 19. Jahrhundert eine neue Epoche des Gewölbebaus.
Siehe auch |
- Flüstergewölbe
Literatur |
- Joseph Eich: Die Gewölbe, ihr Wesen, ihre Gestalt und ihr Bau. Band 1: Gewölbeformen. Polytechnische Verlagsgesellschaft M. Hittenkofer, Strelitz 1921.
- Waldemar Swida: Statik der Bogen und Gewölbe. Theorie des Einzelbogens; Berechnungsbeispiele unter Berücksichtigung der neuesten Belastungsannahmen (DIN 1072) und Berechnungsbestimmungen (DIN 1975). C. F. Müller, Karlsruhe 1954.
- Norbert Nußbaum, Sabine Lepsky: Das gotische Gewölbe. Eine Geschichte seiner Form und Konstruktion. Deutscher Kunstverlag, München u. a. 1999, ISBN 3-422-06278-5 (das zurzeit wissenschaftlich maßgebliche Werk).
- Stefan Bürger: Figurierte Gewölbe zwischen Saale und Neiße. Spätgotische Wölbkunst von 1400 bis 1600. 3 Bände. VDG, Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 2007, ISBN 978-3-89739-518-3 (Zugleich: Dresden, Technische Universität, Dissertation, 2004).
- Werner Müller, Norbert Quien: Virtuelle Steinmetzkunst der österreichischen und böhmisch-sächsischen Spätgotik. Die Gewölbeentwürfe des Codex Miniatus 3 der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien (= Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte. Bd. 38). Michael Imhof Verlag, Petersberg 2005, ISBN 3-937251-03-0.
- David Wendland: Lassaulx und der Gewölbebau mit selbsttragenden Mauerschichten. Neumittelalterliche Architektur um 1825−1848. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2008, ISBN 978-3-86568-117-1 (Zugleich: Stuttgart, Universität, Dissertation, 2007).
Weblinks |
Commons: Gewölbe – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Gewölbe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
- Über Gewölbe
- www.Stuck-Katalog.de: Gewölbe
- Lexikon Bautechnik: Gewölbe
- Tonröhrengewölbe in Landsberg (Fusée céramique)
Einzelnachweise |
↑ Rudolf Gottgetreu: Das Kreuzgewölbe, eine Bauconstructions-Studie. In: Zeitschrift für Bauwesen, Jg. 25 (1875), Sp. 399–404.
↑ Wilhelm Rave: Das Domikalgewölbe. In: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, Jg. 13 (1955), S. 33–43.
↑ Auskunft des Speyerer Dombaumeisters Coletto
↑ Hans Koepf: Bildwörterbuch der Architektur (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 2. Auflage. Kröner, Stuttgart 1974, ISBN 3-520-19402-3, S. 284.
↑ Walter C. Leedy: Fan vaulting. A study of form, technology, and meaning. Scolar Press, London 1980.