Flussbifurkation






Bifurkation der Hase (links) und Else (rechts) bei Melle




Bifurkation von Krollbach (links) und Schwarzwasserbach (rechts) in Hövelhof


Eine Flussbifurkation ist eine Verzweigung (Gabelung) eines fließenden Gewässers derart, dass sein Wasser in zwei unterschiedliche Flusssysteme abfließt.
Der kleinere Nebenast verlässt dabei das Flusssystem des wasserreicheren Hauptastes. Diesem Flusssystem werden auch die Wasserläufe im Einzugsgebiet oberhalb der Bifurkation zugerechnet. Die alles umgrenzende Wasserscheide wird dabei am Gabelungspunkt durch den abzweigenden Wasserlauf unterbrochen. Das Wort stammt von lat. bi- „zwei“ und furca „die Gabel“.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Typen von Bifurkationen


  • 2 Beispiele


    • 2.1 Bifurkationen


    • 2.2 Pseudobifurkationen


    • 2.3 Künstliche Bifurkationen




  • 3 Siehe auch


  • 4 Weblinks


  • 5 Einzelnachweise





Typen von Bifurkationen |




Ständige Bifurkationen

sind bei praktisch jedem Wasserstand aktiv.


Periodische oder ephemere Bifurkationen

werden gleichsam als „Überlauf“ erst ab einem bestimmten Wasserstand aktiv. Beispielsweise verbindet sich bei Hochwasser im Seengebiet von Minnesota das Mississippi-System mit dem Red River und dem Lake Superior.

Unterirdische Bifurkationen

treten in Karstgebieten in phreatischen oder aktiv vadosen Höhlen (Wasserhöhlen) auf. Bekanntes Beispiel ist etwa die Donauversinkung mit unterirdischer Verbindung zum Aachtopf und damit zum Einzugsgebiet des Rheins.

Pseudo-Bifurkationen

liegen vor, wenn stehende Wasserkörper wie Sümpfe oder Seen zu mehreren verschiedenen Flusssystemen hin entwässern. Pseudo- deshalb, weil hierbei keine eigentliche Strömung aufgeteilt wird, sondern ein Bassin mehrere Abflüsse hat. Viele Pseudobifurkationen in Mitteleuropa verdanken ihre Existenz Urstromtälern: In der Nacheiszeit gab die Verlaufsrichtung der flachen Talsohlen der Urstromtäler den Gewässern die Fließrichtung vor. Wo das Gefälle aber sehr gering war oder das Urstromtal (aufgrund postglazialer Prozesse) gar einen Scheitelpunkt hatte, bildeten sich anstatt fließender oft stehende Gewässer oder Moore. Sobald diese zu beiden Seiten in das Urstromtal entwässern, liegt eine Pseudobifurkation vor.

Diffluenz

nennt man eine Bifurkation bei Gletschern – im Gegensatz zur Konfluenz, dem Zusammenfluss. In den Fließwasserströmen innerhalb des Gletschers treten auch die Formen der Wasserhöhlen auf.


Darüber hinaus gibt es zahlreiche künstliche Bifurkationen zur Wasserversorgung von Bewässerungsgebieten, Städten und Schifffahrtskanälen sowie im Kraftwerksbau. Hierbei können hydrographisch bedeutende Wassermengen transportiert werden.



Beispiele |



Bifurkationen |



  • An der weltweit bedeutendsten Flussbifurkation zweigt der Brazo Casiquiare je nach Wasserstand 10 bis 30 % des Wassers vom oberen Orinoco zum Rio Negro ab und damit zum Amazonas-System. Sie liegt in Venezuela, rund zwei Kilometer westlich des Dorfes Tamatama Welt-Icon3.1384583-65.8804681.

  • Der North Two Ocean Creek in Wyoming teilt sich am Two Ocean Pass Welt-Icon44.04285-110.1754, auf in den Pacific Creek, der über den Snake River und Columbia River zum Pazifik fließt, und den Atlantic Creek, der über Yellowstone, Missouri und Mississippi River dem Golf von Mexiko und damit dem Atlantik zufließt.[1]

  • Die Chiana verbindet den Arno mit dem Tiber-System.

  • Der von Schweden nach Finnland fließende Torne älv verliert unweit der schwedischen Ortschaft Junosuando Welt-Icon67.444789222.4511898 die Hälfte seines Wassers durch den Tärendöälven in den Kalixälven.

  • Die Else zweigt bei Melle-Gesmold Welt-Icon52.2027777777788.2552777777778 von der Hase ab und fließt über die Werre in die Weser, während die Hase der Ems zufließt. Vermutlich wurde hier eine ursprünglich periodische Bifurkation im 15. oder 16. Jahrhundert von einem Müller oder von den Besitzern des Schlosses Gesmold künstlich zu einer ständigen Bifurkation ausgebaut, um die Else wirtschaftlich nutzen zu können. In der Folge wurde bei Kriegen und Streitereien wiederholt der eine oder andere Arm verschlossen.[2]

  • Die Mündung der Datze (s. u.) in den Mecklenburg-Vorpommerschen Landgraben, der von dort westwärts in Richtung Peene und ostwärts in Richtung Zarow fließt.

  • Der Krollbach in Hövelhof teilt sich in den Krollbach und in den Schwarzwasserbach. Der Krollbach fließt über den Haustenbach, die Lippe und den Rhein in die Nordsee. Der Schwarzwasserbach ergießt sich über die Ems ebenfalls in die Nordsee.

  • Der Mühlegraben bei Blumberg gabelt sich am Rande des Riedes im Scheitelbereich des Aitrachtales. Von hier fließt die Aitrach in die Donau und das Schleifebächle in die Wutachschlucht, also in Richtung Rhein. Das Gewässernetz des Blumberger Riedes ist gleichzeitig eine Pseudobifurkation (s. u.).




Bifurkation der Nerodimka (Nerodimja) im Kosovo; mit beiden Fließrichtungen auf Schildern: Deti i Zi (Schwarzes Meer) und Deti Egje (Ägäisches Meer)



  • Das Flüsschen Nerodimka (Nerodimja) (albanisch auch Nerodime, serbisch: Неродимка) im Kosovo gabelt sich auf dem Gebiet der Gemeinde Ferizaj in einen über die Flüsse Lepenc und Vardar der Ägäis und in einen über die Sitnica, den Ibar, die Morava und die Donau dem Schwarzen Meer zufließenden Teil. Eine Fläche von 13 ha rund um die Bifurkation ist als Wildschutzgebiet ausgezeichnet. Die Bifurkation wurde im 14. Jahrhundert künstlich angelegt. Der künstliche Kanal versandete immer mehr, so dass er kaum mehr Wasser führte. Vor wenigen Jahren wurde dies ausgebessert.[3]

  • In Rothenburg/Oberlausitz in Sachsen gibt es im Ortsteil Geheege eine Bifurkation eines kleinen Bachs ohne Namen, der aus dem Biehainer Torfstich herausfließt. Ein Teil des Wassers gelangt über Spree und Elbe in die Nordsee, der andere über Neiße und Oder in die Ostsee.[4]

  • Am Zeinisjoch zwischen Tirol und Vorarlberg teilt sich der vom Fädner herabfließende Bach. Die westliche Hälfte geht zur Ill und über den Rhein zur Nordsee, die östliche Hälfte über die Trisanna und den Inn zur Donau und zum Schwarzen Meer.

  • Am Südhang des Kicking Horse Pass in Kanada teilt sich der kurze Bach Divide Creek. Der Westarm entwässert über Kicking Horse River und Columbia River in den Pazifik, der Ostarm über Bow River und am Schluss den Nelson River in die Hudson Bay.



Pseudobifurkationen |



  • Seen:

    • Der größte See der Welt, der nach zwei Richtungen entwässert, ist der Wollaston Lake in Saskatchewan, Kanada. Aus ihm entspringen

      • der Fond du Lac River, der zum Nördlichen Eismeer entwässert und

      • der Cochrane River, der zur Hudson Bay und damit zum Atlantik fließt.



    • Der lappländische See Rostojávri hat einen Abfluss

      • durch Norwegen ins Europäische Nordmeer und

      • einen durch Schweden und Finnland in die Bottnische Bucht der Ostsee.



    • Der Bergsee Etang des Dougnes oder Estany de les Dugues in den französischen Pyrenäen entwässert

      • zur Têt ins Mittelmeer bei Perpignan und

      • via Angoustrine, Segre und Ebro ins Mittelmeer vor Spanien.[5]



    • Der Selenter See in Schleswig-Holstein hat zwei verschiedene Abflüsse zur Ostsee,

      • einen direkten nach Norden und

      • einen via Salzau, Passader See und Hagener Au nach Nordwesten.



    • Die Müritz hat

      • außer dem ursprünglichen natürlichen Ablauf durch die Elde nach Westen zur Elbe

      • künstliche nach Osten (Alte Müritz-Havel-Wasserstraße bzw. Bolter Kanal), die über den Rhin die Elbe erreichen.



    • Ähnlich hat der Ruppiner See unterschiedliche Abflüsse:

      • den Alten Rhin, der sich seinerseits bifurkiert, um einerseits nach Osten über Kremmener Rhin und Ruppiner Kanal in die Oberhavel bei Oranienburg zu münden und andererseits nach Westen durch den Rhin-Kanal zur Unterhavel zu entwässern, und

      • den künstlichen Wustrauer Rhin, der ebenfalls dem Rhin-Kanal zuströmt.



    • Der See Jezioro Chobienickie in Westpolen

      • wird von der Obra durchflossen, die über die Warthe in die Oder mündet;

      • der See gibt jedoch auch etwas Wasser über einen Bach an die Faule Obra ab, die über die Obrzyca in die Oder mündet.





  • Gewässer mit stehendem Scheitelbereich in Urstromtälern:

    • Die Datze fließt

      • zunächst südwärts in die Tollense und somit via Peene in die Ostsee sowie

      • nordwärts via Landgraben und Zarow ebenfalls in die Ostsee.



    • Die Gabelungsarme des Kleinen Landgrabens erreichen letztlich beide via Tollense und Peene die Ostsee, jedoch auf unterschiedlichen Wegen:

      • der eine führt zunächst nach Süden und mündet direkt in die Tollense,

      • der andere geht nach Norden, um nach Vereinigung mit Großem Landgraben und Mittelgraben zum Landgraben die Tollense von Osten her zu erreichen.



    • Ähnlich erreichen auf unterschiedlichen Wegen beide Enden der Randow das Stettiner Haff,

      • der Nordarm via Uecker,

      • der Südarm via Welse und Oder.



    • Das Drainagenetz des Roten Luchs bei Müncheberg entwässert

      • nach Nordosten durch den Stöbber via Friedländer Strom, Wriezener Alte Oder und Oder ins Stettiner Haff der Ostsee und

      • nach Südosten durch den Stobberbach via Löcknitz, Spree, Havel und Elbe zur Nordsee.



    • Die Ziese mündet

      • einerseits im Westen bei Greifswald in die Ostsee und

      • andererseits im Osten bei Wolgast in den Peenestrom.





  • Sonstige Feuchtgebiete:
    • Das (obere und untere) Ried im Oberen Aitrachtal bei Blumberg entwässert sowohl

      • durch das Schleifebächle nach Westen via Wutach und Rhein zur Nordsee, als auch

      • über die Aitrach nach Osten zur Donau und somit ins Schwarze Meer.






Künstliche Bifurkationen |



  • Der künstlich angelegte Schiffgraben entwässert westwärts in die Ilse und über die Oker und Aller zur Weser sowie ostwärts über den Großen Graben in die Bode und über die Saale zur Elbe.

  • Der künstlich angelegte Altmühlüberleiter bei Gunzenhausen in Bayern leitet das Wasser aus der Altmühl (Flusssystem Donau) zur Schwäbischen Rezat (Flusssystem Rhein).


  • Kraftwerk Kaprun in Österreich: Die abgegriffene Pasterze am Großglockner entwässert nach Süden, die Krafthäuser selbst auf die Alpennordseite.

  • Wasser aus dem Oberlauf der Unteralpreuss (Reuss → Rhein → Nordsee) wird über Stollen dem Lago Ritóm zugeführt, der durch den Ticino (Tessin) und Po in die Adria entwässert wird.

  • Das im Lac de l’Hongrin in den Waadtländer Alpen gestaute Wasser wird zum Genfersee abgeleitet und fließt somit ins Mittelmeer, während der Zu- und Abfluss Hongrin zum Flusssystem des Rheins gehört.


  • Panamakanal, bestehend aus dem System Río Chagres, Lago Gatún. Diese künstliche Pseudobifurkation ist der wichtigste Schifffahrtskanal der Welt.


  • Río Fenix Grande teilt sich bei der Stadt Perito Moreno auf. Ein künstlicher Kanal führt zum Río Deseado und damit zum Atlantik. Der Río Fenix Chico läuft weiter zum Lago Buenos Aires/Lago General Carrera und damit über den Río Baker zum Pazifik. Interessant sind die politischen Hintergründe, die zum Bau dieses Kanals geführt haben (siehe Río Deseado).



Siehe auch |



  • Wasserscheide

  • Mündungsarm

  • Binnendelta

  • Flussdelta



Weblinks |



 Commons: Flussbifurkation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


 Wiktionary: Bifurkation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


Einzelnachweise |




  1. There are some interesting "holes" in the Continental Divide. Archiviert vom Original am 11. August 2016; abgerufen im 17. Oktober 2009. 


  2. Bifurkation der Hase:
    Bifurkation, beim Heimatverein Gesmold e.V., auf bifurkation.de
    Die Geschichte der Bifurkation in Gesmold, abgerufen am 7. September 2012, auf bifurkation.de
    Die Bifurkation der Hase in Melle-Gesmold, …eine hydrogeographische Besonderheit im Verbandsgebiet, beim Unterhaltungsverband Nr. 96 "Hase-Bever"



  3. Bifurkation der Nerodimka (Nerodimja):
    Hydrological heritage in the system of natural values and its protection in Kosova. Abgerufen am 7. September 2012.  (PDF; 716 kB)
    Vlerat e trashëgimisë natyrore të Kosovës. In: Agjensioni për Mbrojtjen e Mjedisit të Kosovës. Abgerufen am 7. September 2012 (PDF; 7,6 MB, englisch, mit Bild und Karte). 
    – Ferizaj Municipality: Strategy for Local Economic Development@1@2Vorlage:Toter Link/lgi.osi.hu (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) i Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.



  4. Wasserscheide Geheege, auf rothenburg-ol.de


  5. Topographische Karte mit dem Bergsee Etang des Dougnes (Estany de les Dugues), mit beiden Abflüssen, auf geoportail.fr






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