Romandie







Sprachgebiete der Schweiz – Mehrheitsverhältnis nach der BFS-Erhebung 2010; Karte mit einem Gemeindebestand per 1. Januar 2019

  • Deutsch
    (65,6 % der Bevölkerung; 73,3 % der Schweizer)

  • Französisch
    (22,8 % der Bevölkerung; 23,4 % der Schweizer)

  • Italienisch
    (8,4 % der Bevölkerung; 6,1 % der Schweizer)

  • Rätoromanisch
    (0,6 % der Bevölkerung; 0,7 % der Schweizer)



  • Als Romandie bzw. Suisse romande[1] (auch französischsprachige Schweiz bzw. französische Schweiz, Welschland, Welschschweiz oder Westschweiz) werden die frankophonen Gebiete der Schweiz mit einer Bevölkerungszahl von rund 2 Millionen bezeichnet.[2]


    Die Romandie besteht aus den Kantonen Genf, Jura, Neuenburg und Waadt mit Französisch als Amtssprache sowie den frankophonen Teilen der zweisprachigen Kantone Bern (Biel/Bienne, Berner Jura), Freiburg und Wallis (Unterwallis). Während die 2 Millionen Einwohner der Romandie rund einen Viertel der schweizerischen Gesamtbevölkerung stellen, ist die Stadt Genf nach Zürich und vor Basel die zweitgrösste Stadt und Lausanne vor der Bundesstadt Bern die viertgrösste Stadt des Landes.




    Inhaltsverzeichnis






    • 1 Unterschiedliche Innen- und Aussensicht


    • 2 Sprache


    • 3 Kultur


      • 3.1 Museen


      • 3.2 Kulturschaffende




    • 4 Kulturelle Identität


    • 5 Hochschulwesen


    • 6 Medienlandschaft


    • 7 Religionen und Weltanschauungen


    • 8 Grösste Städte der Romandie


    • 9 Politik und Verwaltung


    • 10 Siehe auch


    • 11 Literatur


    • 12 Weblinks


    • 13 Einzelnachweise





    Unterschiedliche Innen- und Aussensicht |


    Da die Sprachregionen im politischen System der Schweiz keine Bedeutung haben, handelt es sich um eine relativ diffuse kulturelle «Einheit», die hauptsächlich durch die gemeinsame Sprache definiert ist.


    Die Bewohner der Romandie nennen sich selbst Suisses romands oder (kurz) Romands. Dadurch grenzen sie sich einerseits explizit von der restlichen Schweizer Bevölkerung ab, andererseits von den Franzosen.



    Sprache |



    In der Romandie wird generell Standardfranzösisch gesprochen. Verschiedene regionale Dialekte (Patois) der frankoprovenzalischen Sprache sind vom Aussterben bedroht (1990 sprachen nur noch 2 Prozent der frankophonen Bevölkerung der Schweiz Patois). In der Aussprache und im Vokabular sind noch einige Differenzen zur französischen Standardsprache bemerkbar. Dies fällt im Alltag besonders bei den Zahlwörtern auf: Hier heisst es «septante» (70), «huitante» (80, dies nur in den Kantonen Freiburg, Waadt und Wallis) und «nonante» (90) statt «soixante-dix», «quatre-vingts» und «quatre-vingt-dix». Neben Archaismen sind auch viele Germanismen bekannt, die insbesondere entlang der Sprachgrenzen verstärkt eingesetzt werden.


    Gebärdensprache

    In der Romandie wird die Westschweizer Gebärdensprache verwendet, die Langue des signes Suisse romande (LSF-SR). Sie ist ein Dialekt der Langue des signes française (LSF). LSF-SR gehört wie die Deutschschweizer Gebärdensprache und die Tessiner Gebärdensprache zur Familie der französischen Gebärdensprachen.



    Kultur |




    Das Genfer Symphonie Orchester in der Victoria Hall


    Die französische Schweiz ist einerseits sprachlich eng mit dem Kulturleben des Nachbarstaats Frankreich verbunden, jedoch auch stark durch den Austausch mit den anderen Sprachregionen, vornehmlich der Deutschschweiz, geprägt. Obwohl der Landesteil kulturell sehr vielfältig und durch eine Vielzahl von jeweils unterschiedlichen Einflüssen geprägt ist, lassen sich als allgemeine Kulturzentren der französischen Schweiz die Städte Genf und Lausanne nennen. In der Rhonestadt befindet sich demnach der Sitz des Orchestre de la Suisse Romande, welches regelmässig in der Victoria Hall, oder dem Conservatoire der Stadt auftritt. Im Kanton Waadt hingegen findet jährlich das Montreux Jazz Festival statt, welches ein hohes internationales Ansehen geniesst. In Prangins, zwischen den beiden Städten gelegen, befindet sich zudem der Westschweizer Sitz des Schweizerischen Nationalmuseums, das Schloss Prangins.



    Museen |



    In Genf befinden sich unter anderem das Musée d’art et d’histoire, das Musée Ariana (Porzellanmuseum), die Bibliotheca Bodmeriana (in Cologny), welche seit dem Jahr 2015 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe zählt, die Maison Tavel, das Voltaire-Museum, das Internationale Museum der Reformation, das Musée d’art moderne et contemporain (MAMCO) sowie das Museum für Ethnographie, welches im Jahr 2017 mit dem Europäischen Museumspreis ausgezeichnet wurde.




    Die Fondation de l'Hermitage in Lausanne


    In Lausanne hingegen befinden sich das Museum für Fotografie, das Musée de l’Elysée, die Fondation de l’Hermitage, die städtische Kunstsammlung sowie das Olympische Museum. Weiter befinden sich im Kanton das Schloss Prangins, welches vom Bund als Nationalmuseum betrieben wird und seit dem Jahr 2016 auch die Chaplin's World am früheren Wohnsitz des gleichnamigen Schauspielers in Corsier-sur-Vevey. Das Schloss Prangins ist zudem seit dem Jahr 1998 Sitz des Schweizerischen Nationalmuseum in der französischen Schweiz.


    In Neuenburg zählt das Musée d’ethnographie de Neuchâtel, welches seinen Forschungspunkt vor allem auf den afrikanischen Kontinent legt, zu den grössten ethnographischen Museen des Landes. Zu nennen ist ebenfalls das Laténium, das kantonale archäologische Museum sowie das Centre Dürrenmatt, welches die Gemälde und Zeichnungen des ehemals in Neuenburg lebenden Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt ausstellt.


    In Freiburg i. Üe. hingegen sind das Gutenberg Museum angesiedelt, welches seinen Sitz bis zum Jahr 2000 in Bern hatte, das Museum für Kunst und Geschichte im Ratzéhof, das Naturhistorische Museum sowie der Espace Jean Tinguely-Niki-de-Saint-Phalle.


    In den Kantonen Jura und Wallis werden zum Einen die La Traction, ein Depot für alte Eisenbahnen in Montfaucon (JU) und zum Anderen in Martigny die Fondation Gianadda, samt Skulpturengarten, betrieben.



    Kulturschaffende |




    Bildnis der Germaine de Staël nach François Gérard um 1810, die in Coppet ein Refugium für Intellektuelle der europäischen Aufklärung schuf


    Zu den namhaften Kulturschaffenden der Region zählen unter anderem der in Genf geborene Schriftsteller und Philosoph der Aufklärung Jean-Jacques Rousseau, und zeitgleich auch Voltaire, der sich in der Region Genf und später in Lausanne niederliess und das kulturell-politische Leben der französischen Schweiz stark mit zu beeinflussen wusste. Während der Helvetik und Mediationszeit prägte dann vor allem die um Germaine de Staël versammelte Groupe de Coppet am gleichnamigen Ort am Genfersee das Geistesleben des heutigen Landesteils. Besondere Bekanntheit erhielt Germaine de Staël als Schriftstellerin durch ihr Werk Über Deutschland von 1813, in welchem sie einem nicht-deutschsprachigen Publikum die Verdienste und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes näher zu bringen versuchte. Weiter wirkte sie aber auch als Salonnière, wo sich zahlreiche Grössen des europäischen Intellektuellenkosmos wiederfanden. Zu nennen sind u. a. die Namen von Lord Byron, Chateaubriand, Benjamin Constant (mit welchem sie auch eine Liebesbeziehung verband), Wilhelm von Humboldt, Jean-Jacques Rousseau, August Wilhelm Schlegel oder Jean de Sismondi.[3] In minderem Masse beeinflusste auch Isabelle de Charrière in Neuenburg als Salonnière das Westschweizer Geistesleben im Sinne der Aufklärung.[4]


    Im 19. Jahrhundert zeichnete sich vor allem der Raum Genf mit seinem See als Anziehungsort für englischsprachige Literaten aus. So sind etwa mit dem Genfer Nobelvorort Cologny Mary Shelley, welche in der dortigen Villa Diodati ihren Roman Frankenstein schrieb, der Schriftsteller John Polidori und der Dichter Lord Byron verbunden, nach dem in der Gemeinde noch immer eine prominente Aussichtsplattform benannt ist.[5]


    Des Weiteren ist der aus der Waadt stammende Schriftsteller und Dichter Charles-Ferdinand Ramuz zu nennen, der zuweilen als Schweizer Nationaldichter bezeichnet wird. Zu den fünf frankophonen Schriftstellern der Schweiz, die in die prestigeträchtige Bibliothèque de la Pléiade des Gallimard-Verlags aufgenommen wurden, gehören neben Jean-Jacques Rousseau und Charles-Ferdinand Ramuz auch: Blaise Cendrars, der sich vor allem als Abenteuer-Schriftsteller (u. a. zahlreiche Reisen nach Brasilien, die Chinesische Republik und Kalifornien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts) für Erwachsene einen Namen machte. Sowie Albert Cohen, der mit seinem Roman Die Schöne des Herrn im Jahr 1968 den Prix Goncourt gewann als auch der Lyriker und Übersetzer Philippe Jaccottet, der ausserdem zur kleinen Gruppe von Autoren gehört, die bereits zu Lebzeiten in die Reihe des Verlags aufgenommen wurden.[6][7][8] Der Gründer der Reihe war dabei der russisch-jüdische Verleger und Journalist Jacques Schiffrin, der an der Universität Genf in den 1920er Jahren das Studium der Rechtswissenschaften abschloss.[9]


    Weiter zu erwähnen sind die Genfer Philosophin und Autorin Jeanne Hersch, der Waadtländer Dichter und Schriftsteller Jacques Chessex, der im Jahr 2004 den Prix Goncourt für Dichtung erhielt und der in Montreux ansässige russisch-amerikanische Schriftsteller Vladimir Nabokov.



    Kulturelle Identität |


    Obwohl die «Welschen» von den Deutschschweizern oft als kulturell einheitlich und mit einer eigenen Mentalität ausgestattet angesehen werden, betrachten sich die Romands oft mehr ihrem Herkunftskanton zugehörig als der Romandie. Eine gemeinsame Identität bildete sich erst im Gefolge der Spannungen zwischen der deutschen und der welschen Schweiz zu Anfang des 20. Jahrhunderts, vorher war sie in eine liberal-protestantische (Genf, Waadt, Neuenburg, Südjura) und eine katholisch-konservative (Freiburg, Wallis, Nordjura) geteilt.[10] Heute jedoch wird die Existenz eines politisch-kulturellen Röstigrabens als Grenze zur Deutschschweiz kaum je in Frage gestellt.


    Politisch ist die Verbindung der Suisses romands zu Frankreich gering, doch kulturell (im engeren Sinne) naturgemäss stärker, während sich die Deutschschweiz eher nach Deutschland und die italienische Schweiz eher an Oberitalien orientiert.



    Hochschulwesen |




    Der Campus der ETH Lausanne bildet zusammen mit der Universität Lausanne das grösste Hochschulzentrum der Schweiz


    Im Gegensatz zur Deutschschweiz betreiben alle Westschweizer Kantone mit Ausnahme von den Kantonen Jura und Wallis eine eigene Hochschule. Im Jahr 1537 wurde in Lausanne die Académie de Lausanne gegründet, welche zuerst als Ausbildungsstätte für Pastoren konzipiert war und massgeblich vom französischen Theologen und Reformator Théodore de Bèze geprägt wurde. Im Jahr 1890 erhielt die Hochschule dann endgültig den Status einer Universität und wurde zur Université de Lausanne umgewandelt. Gemeinsam mit der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL resp. ETH Lausanne) unterhält die Waadtländer Hauptstadt somit heute das grösste Hochschulzentrum der Schweiz.[11]


    In Genf wurde im Jahr 1559 vonseiten des Reformators Jean Calvin ebenfalls die Académie de Genève gegründet, welche zwar noch nicht den Status einer offiziellen Universität besass, im Vergleich zur Universität Basel, welche die erste und bis ins 19. Jahrhundert einzige offizielle Universität der heutigen Schweiz war, jedoch eine grosse internationale Ausstrahlungskraft genoss und im Jahr 1873 zur Université de Genève umgewandelt wurde. Im Jahr 2018 kamen ungefähr 40 % aller Studierender aus dem Ausland.[12]


    Die Université de Neuchâtel geht ihrerseits auf die Gründung einer Akademie im Jahr 1838 vonseiten Friedrich Wilhelms IV. von Preußen, des damaligen Fürsten von Neuenburg zurück. Sie wurde im Jahr der schweizerischen Bundesstaatsgründung 1848 vom Grossen Rat des Kantons geschlossen und im Jahr 1909 in Form und Status einer Volluniversität wiedereröffnet.[13] Die Universität zählt heute zu den 20 besten Universitäten der Welt mit einer Studierendenzahl von unter 5'000.[14]


    In der Stadt Freiburg i. Üe. wurde im Jahr 1889 vom kantonalen Parlament der Anstoss zur Eröffnung der ersten Universität der «katholischen Schweiz» gegeben. Die Universität Freiburg ist heute die einzige offiziell zweisprachige Hochschule (Französisch und Deutsch) des Landes. Das 1941 eingweihete Hauptgebäude der Universität, die Miséricorde wurde vom Le Corbusier-Schüler Denis Honegger entworfen. Die Universität zählt heute ungefähr 10'000 Studierende und gehört somit zu den mittelgrossen Hochschulen des Landes.[15]



    Medienlandschaft |




    Ausgabe der Referenzzeitung der Schweiz französischer Sprache, des Le Temps (nach Vorbild des ehemaligen Leitmediums der Dritten Französischen Republik benannt)


    Als Referenzzeitung der Schweiz französischer Sprache zählt gemeinhin das Blatt Le Temps («Die Zeit»). Die Zeitung wurde im Jahr 1998 aus dem Zusammenschluss des Journal de Genève et Gazette de Lausanne (dem ehemaligen Leitmedium der Westschweiz) und dem Le Nouveau Quotidien gegründet. Die Zeitung wird in allen Landesteilen der Schweiz sowie in Frankreich und den frankophonen Teilen Europas vertrieben. Ihren Namen erhält die Zeitung von dem ehemaligen Leitblatt der Dritten Französischen Republik (ab dem Jahr 1944 Le Monde).[16]


    Von regionaler Bedeutung sind ebenfalls die Zeitungen Tribune de Genève, welche im Jahr 1879 vonseiten des US-amerikanischen Unternehmers James T. Bates gegründet wurde. Sie war als Nachfolgeblatt der englischsprachigen Geneva Times konzipiert worden. Seit dem Jahr 2011 gehört die Zeitung der Mediengruppe Tamedia.[17] Sowie auf der anderen Seite die 24 heures («24 Stunden»), welche die auflagenstärkste Zeitung des Landesteils ist, in ihrer Ausrichtung und Strahlkraft allerdings regional verankert bleibt, seit dem Jahr 2009 gehört sie ebenfalls zum Tamedia-Konzern.[18]


    Ebenfalls von regionaler Bedeutung war im 20. und 21. Jahrhundert die Boulevardzeitung Le Matin («Der Morgen»), welche seit dem Jahr 2018 nunmehr als Internet-Zeitung erscheint. Sie wurde im Jahr 1911 ursprünglich als Tribune de Lausanne gegründet. Die Schwesterzeitung Le Matin Dimanche («Der Sonntagmorgen») stellt heute den gedruckten Fortgang des Blattes sicher.[19] Im frankophonen Gebiet des Kantons Freiburg und den angrenzenden Gebieten der Waadt zählt die Zeitung La Liberté («Die Freiheit») als führendes Blatt, sie geht auf das Jahr 1871 zurück.[20] Im frankophonen Gebiet des Kantons Wallis zählt hingegen Le Nouvelliste als Leitblatt, die Zeitung geht ihrerseits auf das Jahr 1903 zurück.[21] Seit dem Jahr 1993 wird zudem von Delsberg aus Le Quotidien jurassien vertrieben, das Blatt zählt als wichtigstes Medium des Kantons Jura und des Berner Juras.[22]


    Nationale Bedeutung im Bereich von Radio und Fernsehen geniessen der in Genf und Lausanne beheimatete öffentlich-rechtliche Rundfunk Radio Télévision Suisse (RTS), welcher wiederum der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR) in Bern angegliedert ist. RTS ist Teilhaber von TV5 Monde, weswegen eine gewisse Anzahl von Fernsehprogrammen auch durch diesen Kanal empfangen und ausgestrahlt werden kann.[23]



    Religionen und Weltanschauungen |



    Wie im Allgemeinen in der Schweiz, fallen religiöse Belange juristisch und gesellschaftlich in den Hoheitsbereich der Kantone. Traditionell wichtig ist hier ebenso wie in der Deutschschweiz die Unterscheidung zwischen protestantisch und katholisch geprägten Gebieten. Die Kantone Genf, Neuenburg, Waadt und das frankophone Teilgebiet des Kantons Bern gehören hierbei der Tradition nach zum protestantischen Block. Während die Kantone Freiburg (Bistum Freiburg), Jura und Wallis (Bistum Sitten) katholisch geprägt sind.[24]



    Nichtsdestotrotz sind die Kantone Genf und Neuenburg als einzige der gesamten Schweiz nach französischem Vorbild laizistisch und kennen somit keine Landeskirchen resp. andere öffentlich-rechtliche Anerkennungen religiöser Institutionen.[25][26]


    Trotz der verfassungsmässig verankerten Laizität zählt die Stadt Genf jedoch als wichtiges Zentrum der muslimischen und jüdischen Glaubensgemeinschaften der Schweiz. Es befinden sich hier die 1978 vom saudi-arabischen König Chalid ibn Abd al-Aziz und vom Schweizer Bundespräsidenten Willi Ritschard eingeweihte Genfer Moschee, welche zugleich auch das grösste muslimische Gotteshaus der Schweiz ist. Zum anderen zählt die Stadt mit der Hekhal-Haness-Synagoge auch als eine der grössten europäischen Zentren der Sephardim.[27] Der Anteil der muslimischen Einwohner des Stadtkantons beläuft sich auf rund 21'000 Menschen, während die jüdischen Glaubensgemeinschaften insgesamt knapp 4'000 Mitglieder zählen.[28]


    In der Stadt, die nach der Reform um Jean Calvin zuweilen auch als «protestantisches Rom» galt, befindet sich heute auch eine in Grösse und regionaler Sichtbarkeit wichtige katholische und russisch-orthodoxe Glaubensgemeinschaft. Die russisch-orthodoxe Kirche Genfs (frz. Église russe) wird im Jahr 1859 mit der Unterstützung der russischen Grossfürstin Anna Fjodorowna als erstes Gotteshaus der Glaubensgruppe in der Schweiz erbaut (der Schriftsteller Fjodor Dostojewski lässt hier u. a. auch seine Tochter Sophie taufen, welche allerdings nach drei Monaten bereits wieder stirbt und heute in der Stadt begraben liegt).[29]


    In den Städten Biel/Bienne, Delsberg, Freiburg und La-Chaux-de-Fonds befinden sich ebenfalls weitere historische Kleinzentren der jüdischen Gemeinschaft der Schweiz.[30] Im Kanton Waadt wird neben den beiden Landeskirchen die kantonale jüdische Gemeinschaft mit Sitz in Lausanne ebenfalls öffentlich-rechtlich anerkannt.[31] Die jüdische Glaubensgemeinschaft des Kantons (vornehmlich auf die Stadt Lausanne und den Genferseebogen konzentriert) zählt insgesamt ca. 1'800 Menschen, während die muslimische Bevölkerung des Kantons auf 31'000 Menschen kommt.[32]


    Ähnlich den allgemeinen Tendenzen der Gesamtschweiz, ist auch in den urbanen Zentren der französischen Schweiz eine grössere Bewegung hin zur Konfessionslosigkeit festzustellen.[33] Somit zählt die Gruppe der Konfessionslosen im Jahr 2016 gemäss Angaben des Bundesamts für Statistik in Neuenburg im Gebiet der Westschweiz ca. 500'000 Menschen.[34] Im Stadtkanton Genf kommen auf insgesamt rund 400'000 Einwohner ungefähr 100'000 Konfessionslose. Im ländlich-geprägten Kanton Jura hingegen kommen auf die erfassten 60'000 Einwohner, bloss rund 8'000 Konfessionslose.[35]



    Grösste Städte der Romandie |































































    Rang Name 1995 2000 2005 2010 2015 Kanton
    1. Genf
    173549!173'549

    174999!174'999

    178722!178'722

    187470!187'470

    201164!201'164

    Kanton GenfKanton Genf Genf
    2. Lausanne
    115878!115'878

    114889!114'889

    117388!117'388

    127821!127'821

    135629!135'629

    Kanton WaadtKanton Waadt Waadt
    3. Biel/Bienne
    050733!50'733

    048840!48'840

    048735!48'735

    051203!51'203

    054163!54'163

    Kanton BernKanton Bern Bern
    4. La Chaux-de-Fonds
    037375!37'375

    036747!36'747

    036809!36'809

    037504!37'504

    038957!38'957

    Kanton NeuenburgKanton Neuenburg Neuenburg
    5. Freiburg i. Üe.
    032501!32'501

    031691!31'691

    033008!33'008

    034897!34'897

    038489!38'489

    Kanton FreiburgKanton Freiburg Freiburg

    Kantonshauptstädte sind fett vermerkt.




    Sitz der Stadtregierung Genfs, der grössten Stadt der französischen Schweiz


    Genf ist traditionell die grösste Stadt der französischen Schweiz. Sie ist aus wirtschaftlicher Perspektive der stärkste urbane Raum des Landesteils, vereint als ehemaliger Stadtstaat hingegen traditionell nicht den Grossteil der politischen Macht bei sich. Wirtschaftshistorisch entwickelte sich die Stadt ab dem 16. Jahrhundert stark durch die Uhrenindustrie, wurde dann allerdings durch ihr humanitärisches Engagement (u. a. Gründung des IKRK) auch als internationale Diplomatenstadt von Bedeutung. Im 20. Jahrhundert verfestigte sich der Status der Stadt als internationale Dialogsplattform zuerst durch die Ansiedlung des Hauptsitzes des Völkerbunds, und später durch den Zweitsitz der Vereinten Nationen nach New York City.


    Lausanne nimmt traditionellerweise in Bevölkerung und Wirtschaftskraft den zweiten Platz hinter Genf im Landesteil ein, ihr kommt allerdings zusammen mit dem grossräumigen Waadtländer Kantonsgebiet politisch sowohl auf regionaler als auch eidgenössischer Ebene eine grössere Bedeutung zu. Die Stadt zeichnet sich heute auch durch ihr grosses Hochschulzentrum aus, wo die Universität Lausanne als auch der Westschweizer Sitz der Eidgenössischen Technischen Hochschule beheimatet sind. Sie ist demnach auch aus wirtschaftlicher Sicht eng mit dem Bereich der Biotechnik und Informatik verbunden, ist allerdings auch ein Verwaltungszentrum eidgenössischer Dimension. Die Stadt wird aufgrund des hier angesiedelten Hauptsitzes des Internationalen Olympischen Komitees auch «Olympische Hauptstadt» genannt.




    Die Fontaine Monumentale im Stadtzentrum von La Chaux-de-Fonds


    Die zweisprachige Stadt Biel/Bienne ist der zweitgrösste urbane Ballungsraum des Kantons Bern. Der Stadt kommt aufgrund ihrer kulturellen Vielfalt als auch aufgrund der wichtigen Präsenz der Uhrenindustrie eine nationale Bedeutung zu.


    La Chaux-de-Fonds ist die grösste Stadt des Kantons Neuenburg. Sie befindet sich unmittelbar an der französischen Grenze und ist vor allem auch für ihren industriellen Charakter (schachbrettartiger Stadtgrundriss) bekannt. Sie geniesst zudem auch als wichtiges Zentrum der schweizerischen Uhrenindustrie traditionell eine gewisse Bedeutung. Sie war ausserdem neben Lengnau und Endingen (sowie Carouge, Kanton Genf) eine der wenigen Gemeinden der heutigen Schweiz, die Juden und Jüdinnen die Niederlassung erlaubte, noch heute befindet sich in der Stadt eine in Grösse und Sichtbarkeit wichtige Synagoge.


    Die zweisprachige Stadt Freiburg i. Üe. geniesst aufgrund ihrer kulturellen Scharnierfunktion zwischen dem französisch- und deutschsprachigen Landesteil eine gewisse Bedeutung. Die Stadt ist im nationalen Rahmen vor allem auch für ihre Universität berühmt, welche die einzige zweisprachige Universität des Landes ist. Bekannt ist auch die sehr gut erhaltene Altstadt.



    Politik und Verwaltung |



    Die Politlandschaft der Sprachregion ist durch ihre Vielfalt und die jeweils unterschiedliche kulturelle und wirtschaftliche Ausgangslage der Kantone sehr vielfältig. Dennoch kommt es im Rahmen eidgenössischer Wahlen seit ungefähr der 1990er Jahre oft vor, dass die Romandie sowohl in sozialen als auch ökonomischen Fragen etatistischer als die Deutschschweiz stimmt.




    Ergebnisse der Ausschaffungsiniative (2010), wobei ausser dem deutschsprachigen Kanton Basel-Stadt, die Romandie (bis auf den zweisprachigen Kanton Valais/Wallis) geschlossen gegen die Initiative und die Deutschschweiz einheitlich dafür stimmte


    Von grösserer Bedeutung ist vor allem auch das Abstimmungsresultat zur EWR-Frage des Jahres 1992.[36][37] Hierbei stimmte die gesamte französische Schweiz, zusammen mit den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt, für den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum, wurde jedoch vom Rest der Deutschschweiz und dem Kanton Tessin überstimmt.[38] Demnach war das Volksmehr äusserst knapp, mit einem Unterschied von lediglich 23'000 Stimmen, ausgefallen, während aber das Ständemehr aufgrund der Kleinräumigkeit der Romandie (16 von 23 Nein) klar ausfiel.[39] Dennoch zeigte sich bei näherer Betrachtung, dass auch die Deutschschweizer Grossstädte Basel, Bern und Zürich für einen Beitritt votierten und somit im deutschsprachigen Landesteil vor allem der Stadt-Land-Graben entscheidend war.[40][41] Bei der damit verbundenen Folgeabstimmung um die Bilateralen Verträge I im Jahr 2000 zeigte sich der politische Graben zwischen den verschiedensprachigen Landesteilen als geschlossen.[42]


    Politisch relevante Unterschiede innerhalb der Romandie zeigen sich auch zwischen den herkömmlich protestantisch und katholisch geprägten Kantonen. Überdies scheint die rechts-konservative Schweizerische Volkspartei, trotz einem französischsprachigen Vertreter in der Landesregierung, Guy Parmelin, weniger ausgeprägt Fuss zu fassen als in der Deutschschweiz.[43][44]




    Das Schweizerische Bundesgericht in Lausanne


    Historisch zeichnete sich mindestens seit 1893/94 auch eine politische Trennung zwischen der FDP und der Liberalen Partei der Schweiz ab, die mehrheitlich den Sprachgrenzen des Landes folgte. Während in der Deutschschweiz (mit Ausnahme von Basel-Stadt) die liberalen Gruppierungen innerhalb des Freisinns aufgingen, blieb die Liberale Partei in den reformierten Westschweizer Kantonen bis zur Fusion mit der FDP im Jahr 2008 selbstständig. Mit dem Genfer Gustave Ador stellte die Partei zwischen 1917 und 1919 auch ihren ersten und einzigen Bundesrat. Die Partei, welche zuweilen als elitär und dem Populismus konträr eingestuft wurde, verlor jedoch zwischen 1993 und 2001 in grossem Stil an Unterstützung und einzig im Kanton Basel-Stadt (LDP) vermag die Partei weiter zu bestehen. Im Westschweizer Politjargon bleibt die Unterscheidung zwischen dem liberalen und radikalen (resp. freisinnigen) Erbe der heutigen FDP von Bedeutung.[45][46]


    Als Minderheitenregion hat die Romandie jeweils ein verstärktes Interesse daran, in der nationalen Exekutivregierung, also im Bundesrat, vertreten zu sein.[47] Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2017 stellt die französische Schweiz zwei von sieben Bundesräten:




    • Alain Berset (Freiburg; seit 2012)


    • Guy Parmelin (Waadt; seit 2014)


    In der Kantonshauptstadt der Waadt, in Lausanne, befindet sich zudem der Sitz des Schweizerischen Bundesgerichts. Der Schweizer Bundesstaat von 1848 erhielt erst im Jahr 1874 ein Bundesgericht, das auf einer wahrhaftigen Gewaltenteilung im traditionellen Sinne beruhte. Diesem wiederum lag die Revision der Bundesverfassung desselben Jahres zugrunde. Nachdem sich um das Rennen um den neuen Sitz des Gerichts insgesamt sieben Städte des Landes beworben hatten, fiel der Entscheid schliesslich auf Lausanne, als Konzession gegenüber den Westschweizer Freisinnigen, die sich gegen die Verfassungsrevision ausgesprochen hatten. Im Jahr 1927 bezog das Gericht dann die Räumlichkeiten des klassizistischen Neubaus im Park «Mon-Repos».[48]



    Siehe auch |



    • Literatur der französischsprachigen Schweiz

    • Sprachen in der Schweiz

    • Tour de Romandie



    Literatur |



    • Eberhard Raetz: Genfer See und die Romandie. Eine Reise durch die Westschweiz. Info, Karlsruhe 2003, ISBN 3-88190-306-2.

    • Dieter Kohler: La Welsch Music. Chanson, Pop und Rap aus der Westschweiz (mit Audio-CD). Merian, Basel 2006, ISBN 3-85616-267-4.

    • Gisèle Peter-André: Essen wie Gott im Welschland. So kocht man in der französischen Schweiz. Elster, Zürich 2007, ISBN 978-3-907668-62-7.


    • Philippe Jaccottet, Peter von Matt (Hrsg.): Die Lyrik der Romandie. Eine zweisprachige Anthologie. Nagel & Kimche Verlag, Zürich 2008, ISBN 978-3-312-00407-2.



    Weblinks |



     Wiktionary: Romandie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


     Commons: Romandie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


    Einzelnachweise |




    1. Christophe Büchi: Nur ein bisschen Brüder. Der Begriff Romandie. In: NZZ, 19. August 2016.


    2. Démographie: suisse romande Le cap des deux millions | L’Hebdo. Abgerufen am 14. Mai 2017 (französisch). 


    3. Etienne Hofmann / GL: Staël, Germaine de. Abgerufen am 18. September 2018. 


    4. Daniel Maggetti / GG: Charrière, Isabelle de (Belle de Zuylen). Abgerufen am 23. September 2018. 


    5. Tony Perrottet: Lake Geneva as Shelley and Byron Knew It. (nytimes.com [abgerufen am 16. September 2018]). 


    6. Le poète vaudois Philippe Jaccottet entre de son vivant dans La Pléiade. In: rts.ch. (rts.ch [abgerufen am 23. September 2018]). 


    7. Philippe Jaccottet entre dans la Pléiade. In: Le Temps. (letemps.ch [abgerufen am 23. September 2018]). 


    8. Dans le catalogue. Abgerufen am 23. September 2018 (französisch). 


    9. La Pléiade - La vie de la Pléiade - L’histoire de la Pléiade - Jacques Schiffrin, André Gide et la Pléiade. Abgerufen am 23. September 2018 (französisch). 


    10. Christophe Büchi: Die welsche Schweiz: Romandie – mehr als nur ein ungeliebtes Wort. In: NZZ, 30. Mai 2015.


    11. Nicole Meystre-Schaeren / SRL: Universität Lausanne. Abgerufen am 16. September 2018. 


    12. University of Geneva. Abgerufen am 16. September 2018 (amerikanisches Englisch). 


    13. Dominique Quadroni / GL: Universität Neuenburg. Abgerufen am 16. September 2018. 


    14. L'uni de Neuchâtel dans le top 20 des petites unis. In: tdg.ch/. (tdg.ch [abgerufen am 16. September 2018]). 


    15. Universität | Université de Fribourg | Universität Freiburg. Abgerufen am 16. September 2018. 


    16. Alix Heiniger / ASCH: Temps, Le. Abgerufen am 28. November 2018. 


    17. Alix Heiniger / AHB: Tribune de Genève. Abgerufen am 28. November 2018. 


    18. Robert Netz / MD: Vingt-quatre Heures [24 heures]. Abgerufen am 28. November 2018. 


    19. Ernst Bollinger: Matin, Le. Abgerufen am 28. November 2018. 


    20. La Liberté. In: media f. (media-f.ch [abgerufen am 4. Dezember 2018]). 


    21. Luzius Theler: Zwei Junge sollen den «Nouvelliste» erneuern | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. 18. März 2014, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 4. Dezember 2018]). 


    22. François Kohler / GL: Quotidien jurassien, Le. Abgerufen am 4. Dezember 2018. 


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